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Kultur: Süße Weichmacher

Alenka Genzel, Frank Matthias und das Deutsche Filmorchester boten zu Pfingsten Ohrwürmer aus Operette und Musical

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Es gibt Melodien, die einen aus dem Alltag in eine andere Welt hineinschweben lassen. Außer italienischen Komponisten aller Zeiten waren vor allem österreichisch-ungarische Komponisten aus der k.u.k. Monarchie Meister im Verfassen solch schmeichelhafter, zuckersüßer Gesangslinien.

Doch hier zieht manch einer schon die rote Karte: Vorsicht Operette! Was für Bildungsbürger und nüchterne Materialisten ein rotes Tuch sein mag, trifft den Geschmack einer wachsenden Bevölkerungsgruppe. Die grau-silber- oder kaum noch behaarten Mehrheiten sind die echten Fans. Sie halten die Erinnerung an eine ganze Musiktradition wach – so auch am Pfingstsonntag im Nikolaisaal bei einem Programm mit „Ohrwürmern aus Operette und Musical“.

Das Deutsche Filmorchester Babelsberg und die beiden gut gelaunten Solisten Alenka Genzel, Sopran, und Frank Matthias, Bariton, begeisterten mit ihrem heiteren Streifzug durch die Welt der leichten Muse. Dass auch Filmmusik dazu gehört, ist heutzutage selbstverständlich. Mit einem UfA-Medley voller Erinnerungen an Heinz Rühmann, Marlene Dietrich und andere Stars war das Filmorchester Babelsberg unter der wendigen Leitung des Dirigenten Heinz Walter Florin in seinem Element, erst recht bei amerikanischen Filmklassikern wie den wilden „Männern in ihren fliegenden Kisten“ und dem Song „The Impossible Dream“. Wie der Komponist Mitch Leigh hier aus einem kleinen, leisen, zögernden Beginn ein hymnisches, triumphales Finale wachsen lässt, hat Kult-Charakter.

Wie Film und Musical die schöne Operettentradition aus lyrischen und komischen Elementen fortsetzen, zeigt sich bei der berühmten „My Fair Lady“ von Frederick Loewe. Beim lustigen Sprachenlernen in „Es grünt so grün, wenn Spanien Blüten blühn“ sprühten die Funken zwischen Alenka Genzel, Frank Matthias und dem Publikum. Als veritabler Bariton mit Buffoprägung bezauberte Frank Matthias die Damen mit „Dunkelroten Rosen“ – wozu er, kleiner Gag am Rande, gelbe Rosen überreichte – und mit dem Couplet des Zigeunerbarons vom „Borstenvieh und Schweinespeck“. Seine erstaunlich viel um Körperfunktionen und Krankheiten kreisende Moderation war nicht jedermanns Sache, auch wenn ihm einige heitere Bonmots und flüssige Übergänge gelangen.

Alenka Genzel begeisterte nicht nur mit ihren vielfältigen Bühnenroben, sondern überzeugte mit tänzerischer Bühnenpräsenz und gelenkiger Stimme in Bronzetönen. Wenn die beiden, die auch im Leben ein Paar sind, im Duett einander anschmachteten oder piesackten war´s am unterhaltsamsten. Das Filmorchester ließ die Stimmen der Sänger comme il faut auf weichen Polstern aus Streichern schweben, Flöten, Klarinetten und Oboen Horn säuselten klangvoll, Harfe und Triangel blitzten, während die Blechbläser dazu schicksalschwangere Fanale bliesen. So viel herzerwärmende Schmachtfetzen, gepaart mit Nostalgie und Wehmut ließ keinen Zuhörer unbewegt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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