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Von Dirk Becker: Tanzen verstehen

Die „fabrik“ bietet vier Workshops, in denen der zeitgenössische Tanz analysiert werden soll

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Die Verwirrung gehört dazu. Seit nunmehr fast fünf Jahren schon. Zeitgenössischer Tanz in seiner Vielfalt, immer wieder von jungen Künstlern aus der ganzen Welt in den Studios der „fabrik“ in der Schiffbauergasse entwickelt, geprobt und dann aufgeführt. Knapp 100 solcher Tanzprojekte mit mehr als 400 Künstler und Künstlerinnen, die den Zuschauer verführten aber auch verwirrten, oft mehr Fragen als Antworten boten, waren in den vergangenen fünf Jahren in Potsdam allein im Programm „Artist in Residence“ zu erleben. Im Dezember aber läuft das Programm aus.

Dieses Ende kommt nicht überraschend. Das mit 280 000 Euro im Jahr geförderte „Artist in Residence“-Programm, das von der „fabrik“ auch den Titel Tanzplan Potsdam bekommen hat, war von Anfang an auf nur fünf Jahre beschränkt. 140 000 Euro hat die Kulturstiftung des Bundes pro Jahr, den Rest mit je 70 000 Euro das Land Brandenburg und die Stadt Potsdam gezahlt.

„Ein wenig hatten wir gehofft, dass die Stadt und das Land dieses Projekt auch weiterhin fördern und wir in einem kleineren Rahmen auch in Zukunft Künstler nach Potsdam einladen können“, sagt Ulrike Melzwig, künstlerische Leiterin von „Artist in Residence“ in der „fabrik“. Aber alles deutet darauf hin, dass auch das Land Brandenburg und die Stadt Potsdam zum Jahresende die Förderung einstellen werden. „Im vergangenen Jahr hatten wir schon 160 Bewerbungen aus der ganzen Welt“, sagt Ulrike Melzwig. In diesem Jahr waren es dann 360, die von „Artist in Residence“ profitieren wollten. Davon wurden schließlich 15 Projekte von verschiedenen Künstlern ausgewählt, die dann in wenigen Wochen in Potsdam umgesetzt oder weiterentwickelt werden sollen.

Auch in diesem Jahr wird es im Oktober wieder die abschließende Werkschau geben, bei der die Tänzer und Tänzerinnen ihre Arbeit vorstellen. Doch allein damit wollte sich das Team um Ulrike Melzwig im letzten Jahr von „Artist in Residence“ nicht zufrieden geben. Unter dem Titel „Ateliers“ werden nun neben der Werkschau vier fünftägige Workshops angeboten, die sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem zeitgenössischen Tanz auseinandersetzen.

„Auch wenn wir in Potsdam mit dem zeitgenössischen Tanz sehr präsent sind, findet die Auseinandersetzung damit zu oft noch im kleineren Kreis statt“, sagt Ulrike Melzwig. Durch das breite Angebot in der „fabrik“, sei es durch die Werkschauen, die regelmäßigen Gastspieler internationaler Künstler oder Ensembles oder durch das jährlich stattfindende Festival Tanztage, werde hier auch ein Publikum erreicht, das einfach nur neugierig auf das Gezeigte ist.

Oft aber ist die Verwirrung über das Gesehene groß. Und dieser typische Reflex und Wunsch in uns, auch alles verstehen zu wollen oder zumindest ansatzweise die Absicht der Künstler zu durchschauen, kommt dann noch erschwerend hinzu. Die vier Workshops unter den Titeln „Action and Meaning“, „Documentary and Performance“, „Movement Practice“ und „Performance Directives“ sollen ermöglichen, die Inhalte der Werkschauen „aus einer anderen – der teilnehmenden - Perspektive kennenzulernen“, wie es auf dem Programmblatt heißt.

Die „Dozenten“ der Workshops, wie der Spanier Norberto Llopis Segarra, die Kanadierin Litó Walkey, die Niederländer Florent Delval und Jefta van Dinther, der Franzose Frédéric Gies und DD Dorvillier aus New York, sind gleichzeitig als „Artists in Residence“ vor Ort. Sie „werden ihre Arbeitsprozesse für interessierte Teilnehmer öffnen“, heißt es weiter in dem Programmblatt. So sollen innerhalb der fünf Tage vom 28. September bis zum 3. Oktober künstlerische Praktiken vermittelt werden, mit denen die Künstler an ihren Projekten in Potsdam gerade arbeiten. Und gleichzeitig sollen die Workshops eine Einladung sein, diese Praktiken gemeinsam weiter zu entwickeln und zu formen. Künstler auf der einen Seite, die hier als Vermittler ihrer Kunst und Arbeitsweisen auftreten und die Workshopteilnehmer nicht einfach nur zu Zuhörern machen, sondern aktiv in den Schaffensprozess ihrer Stücke eingreifen lassen.

„Das Angebot, das kostenlos ist, richtet sich an Teilnehmer, die schon ein wenig Erfahrungen mit dem zeitgenössischen Tanz haben“, sagt Ulrike Melzwig. Und die der englischen Sprache mächtig sind. Denn in allen vier Workshops wird Englisch gesprochen. „Wer sich für das Angebot interessiert, der soll uns ein kurzes Motivationsschreiben schicken, warum er an welchem Workshop teilnehmen möchte.“ Insgesamt zehn Teilnehmer pro Kurs sind vorgesehen. Einsendeschluss für die Bewerbungen ist der 1. September.

Es ist ein straffes Programm, das die Teilnehmer erwartet. Fünf Tage, jeweils von 11 bis 18 Uhr, soll die gemeinsame Annäherung, Auseinandersetzung und Ideenentwicklung rund um den zeitgenössischen Tanz dauern. So soll eine Lücke gefüllt werden, die sich immer wieder auftut zwischen den Wochen der Vorbereitungen, des Forschens und Probierens der „Artists in Residance“, die oft abgeschottet in den Studios der „fabrik“ stattfinden und den abschließenden Werkschauen. „Was passiert da überhaupt, wenn ein Tänzer forscht“, nennt Ulrike Malzwig als ein Beispiel für die zahlreichen Fragen, die oft genug auch das Verständnis für diese künstlerische Arbeit erschweren. Eine Einladung zum gegenseitigen Lernen und Kennenlernen sollen diese Workshops sein, um so auch die bekannte Verwirrung zu lichten. Aber nicht ganz. Denn dieses Verwirren, dieses Irritieren und Verführen gehört einfach zum zeitgenössischen Tanz dazu.

www.fabrikpotsdam.de

Dirk Becker

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