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Kultur: Tassen als Stützen der Macht

Exponate und Themen der Ausstellung „Kaiserliche Geschenke“ (4) / Von Jörg Kirschstein

Stand:

In der Ausstellung „Aus allerhöchster Schatulle-Kaiserliche Geschenke“ des Potsdam-Museums werden noch bis zum 4. Januar 2009 über 100 Geschenke des letzten deutschen Kaisers und seiner Familie vorgestellt. In einer Serie stellen wir besondere Exponate und Themen der Ausstellung vor.

„Seine Majestät der Kaiser verlangt solche Tassen schleunigst ...“ So heißt es in einer Notiz des Oberhofmarschallamtes an die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM). Mit Nachdruck machte die Hofbehörde deutlich, dass Porzellantassen dringend gebraucht werden, um sie als Ehrengaben, vor allem an bürgerliche Empfänger, zu verschenken. In der Ausstellung werden mehrere Exemplare der aufwendig dekorierten, reich vergoldeten Porzellantassen präsentiert.

Die Tassenkörper sind wahlweise mit einem Porträt oder einer Ansicht versehen. In der Funktion als persönliches Geschenk knüpfen sie an die seit dem 18. Jahrhundert bestehende Tradition der Kabinettassen an, die als kostbare Erinnerung und dem privaten Gedenken gewidmet waren. Porzellantassen stellten seitdem einen wichtigen Bestandteil der bürgerlichen Kultur dar, wo sie z.B. in Vitrinen platziert von kultiviertem Wohlstand zeugten. Verziert mit dem Bildnis des Kaisers und auf dessen persönliche Anweisung verliehen, vermochten solche Tassengeschenke das Verlangen nach nationaler Integration befriedigen. Das ausgeprägte Gespür Wilhelms II. für wirkungsvoll eingesetzte Gunstbeweise sollte sich zu einem wichtigen Bestandteil seiner Regierung entwickeln und wurde von ihm als eine wesentliche Stütze zur Wahrung der Monarchie angesehen.

Eine besondere Auszeichnung stellten die sogenannten „Hundertjahr-Tassen“ dar, die nach sorgfältiger Prüfung regelmäßig im kaiserlichen Auftrag gestiftet wurden und als eine eigenständige, von Wilhelm II. begründete Geschenktradition angesehen werden können. Als Beispiel lässt sich in der Ausstellung eine Porträttasse Wilhelms II. nachweisen, die im März 1914 an die Witwe Anna Hollenbeck (1814-1914) mit einem Begleitschreiben zugestellt wurde. Bevor es zu einem Geschenk dieser Art kam, ließ das Oberhofmarschallamt beim Ministerium des Inneren zwei Aspekte prüfen: Handelt es sich bei dem Jubilar um einen „unbescholtenen Bürger“? Ist sein Lebensabend sozial abgesichert? Wenn letzteres nicht der Fall war, dann bekam die Person keine Porzellantasse, sondern ein Geldgeschenk in Höhe von 300 Mark. Konnten jedoch beide Fragen bejaht werden, so wie es bei der Witwe Anna Hollenbeck der Fall war, dann kam es zu einem kaiserlichen Geschenk in Form einer kostbaren Porzellantasse mit dem Porträt des Kaisers.

Bereits 1844 hatte sein Vater, Kaiser Friedrich III. (1831-1888), als 13-jähriger Prinz eine Tasse mit der Ansicht des Kleinen Schlosses im Park Babelsberg an seinen Lehrer Ernst Curtius (1814-1896) verschenkt. Der Altertumsforscher war im Herbst 1844 zum Hauslehrer des Prinzen berufen worden.

Aus den Bestellbüchern des KPM-Archivs, geht hervor, dass am 15.November 1844 für den Prinzen drei Tassen in Auftrag gegeben wurden, die jeweils eine Ansicht des Schlösschens mit festgelegter Figurenstaffage jedoch in unterschiedlicher Anordnung zeigen sollten. Da nur eine Tasse bestellt wurde, ist anzunehmen, dass nach der Fertigstellung eine der drei Tassen als Weihnachtsgeschenk des Prinzen für Curtius ausgewählt worden ist. Die Porzellanvedute des Kleinen Schlosses mit den spielenden Kindern, die als Staffagefiguren auf Friedrich Wilhelm und seinen Jugendgefährten Rudolf von Zastrow (1830-1864) Bezug nehmen sollen sowie die Darstellung ihres Erziehers gibt dem Motiv eine persönliche Aussage.

Zugleich stellt sie ein wichtiges Zeitdokument für den kurz zuvor abgeschlossenen Umbau des Schlosses dar, das auf Anweisung der Gemahlin Wilhelms I., Prinzessin Augusta, im Stil der englischen Neogotik gestaltet wurde.

Der Autor ist Kurator der Ausstellung

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