Kultur: Temperamentvoll bis klangfarbenarm
Das Ensemble La Ritirata erneut mit Boccherini in der Ovidgalerie
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Es muss ja nicht immer Luigi Boccherinis Menuett-Hit sein, der sich im Gedächtnis ohrwurmgleich eingenistet hat. Auch andere Stücke des italienischen Gastarbeiters in Spanien wissen die Seele zu ergötzen. Was Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. sehr zu schätzen wusste. Und die Musikfestspiele Sanssouci bewog, dem italienischen Komponisten und Violoncellisten ein Minifest im Festspielangebot zu widmen. Innerhalb kürzester Zeit traten dabei zum zweiten Mal Mitglieder des spanischen Ensembles La Ritirata auf. Nach ihrem Konzert am Mittwoch im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci huldigten die Musiker am Donnerstag in der Ovidgalerie der Neuen Kammern Sanssouci unter dem Titel „Fandango“ der reizvollen Kombination von Gitarre und Streichquartett. Zwei von ihnen sind’s, die einen erwartungsfrohen Anfang und ein tanzausgelassenes Ende bilden. Laut Programmheft handelt es sich dabei um Collagen aus bereits vorhandenen Quartettsätzen des Meisters, die er selbst für Gitarrenquintette bearbeitet hat.
Zunächst das D-Dur-Werk, dessen empfindsames Thema zunächst in den Streichern erklingt, ehe sich die Gitarre mit kraftvollen Akkorden in das Geschehen einmischt und schließlich in den vibratoarmen Gesamtklang integriert wird. Enrike Solinis weiß sein Instrument meisterlich zu zupfen. Zur Akzentverstärkung schlägt er machtvoll die Saiten, während fürs Lyrische die Fingerspitzen gleichsam ein Pizzicato-Ballett vollführen. Präzise und wie parlierend setzt er seine Verzierungskünste ein. Dazu führen die weiteren Mitstreiter Lina Tur Bonet (Violine I), Miren Zeberio (Violine II), Daniel Lorenzo (Viola) und Josetxu Obregón (Cello) einen ziemlich straffen Bogen. Gefühlvoll und geschmeidig ist ihr Musizieren keineswegs, eher draufgängerisch, druckvoll in hohen Drehzahlbereichen angesiedelt. Wodurch mitunter die Intonation leidet. Vor allem die Primaria pflegt diesen vordergründig brillanten Vortragsstil, degradiert ihre Mitstreiter fast zu puren Assistenten.
In ähnlicher Machart führt sich das finale D-Dur-Opus vor, dessen Beiname „Fandango“ auf einen tänzerisch furiosen Kehraus verweist. Dem bleiben die Musiker nichts schuldig, indem sie ein rhythmisches Feuerwerk abbrennen und sich euphorisch in den Klangrausch spielen. Zuvor gesellen sich zur sanft verspielten Streichergruppe die herzerfrischenden, klaren und präzisen Gitarrentöne. Ausdrucksvoll und differenziert geht es nunmehr zu, mit federnder Direktheit, beschwingt und stampfend. Ganz in ihrem Element sind die fünf auch bei den „12 Variationen über ‚La Ritirata di Madrid“, einer späteren Bearbeitung eines Boccherinischen Streichquintetts durch Heinrich Albert. Zögerlich und leise scheint da nächtens eine Musikertruppe sich zu nähern: angeführt von der kecken ersten Violine, zu der sich das brummende Cello gesellt. Es wird lauter, die zweite Violine repetiert frech dazwischen. Alles sehr effektvoll. Dann zieht die imaginäre Truppe davon. Und auch die Musiker verlassen nacheinander das Podium. Leise verklingende Akkorde, dann geht auch der Gitarrist. Haydns „Abschieds“-Sinfonie lässt grüßen.
Für Abwechslung sorgt schließlich die deutsche Erstaufführung des G-Dur-Streichquartetts von Boccherinis Zeitgenossen Gaetano Brunetti. Ein aufgeregtes und klangfarbenarmes Vierergespräch. Ganz im Gegensatz zur Zugabe: einer edelkitschigen Bearbeitung des Mittelsatzes aus Mozarts C-Dur-Klavierkonzert, wobei die Gitarre passenderweise den Solopart übernimmt. Peter Buske
Peter Buske
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