Kultur: Teppich der Vergangenheit
Unidram: Kaum mitreißendes slowenisches Stück
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Unidram: Kaum mitreißendes slowenisches Stück Sie sitzen wie auf einem Sofa nebeneinander und blättern nostalgisch in einem Fotoalbum. Geburtstage, Hochzeiten, Weihnachten. Die Tochter sitzt lachend neben der Mutter, der Bruder sitzt eher unbeteiligt am Rande. Manche Seiten im Buch werden schnell überschlagen, auf anderen ruht der Blick mit Genuss. Erinnerungen auf Negativ. Nicht immer sind die mit der Kamera festgehaltenen die wirklich glücklichen Augenblicke. Es sind die erzählerischen Bilder des slowenischen Theaterstücks „Osum“, mit denen das gleichnamige Ensemble am Mittwochabend im T-Werk beim Unidram-Festival beeindruckt: Schön anzusehen, die Frauen in weißen Kleidern im Kontrast zum Mann in Schwarz. Eine ausdrucksstarke Idee, das von der Decke hängende Puppenspiel – eine metaphorisches Modell des Bühnendramas. Eine ästhetisch gelungene Choreographie, die jeweiligen Erzähler agieren ganz vorn auf dem weißen Teppich, oft dem Publikum zugewandt. Die Nebenspieler ziehen sich in das hintere Dunkel zurück. Sehr anschaulich, die kleinen Gesten, der Mann, der sich, bevor er den Teppich der Vergangenheit betritt, die Schuhe von den Füßen streift. Als eine der besten Produktionen Sloweniens wurde das Theaterspiel aus Ljubljana im letzten Jahr ausgezeichnet. Dem Goethe Institut Inter Nationes war „Osum“ eine Förderung wert. Kein Zweifel, das Stück besticht durch seine Kreativität und Vielschichtigkeit – richtig mitreißen allerdings können die Schauspieler das Publikum an diesem Abend nicht. Weder mit den idyllischen noch mit den grausamen Erinnerungen, die sie scheinbar beliebig aneinander hängen, Liebe, Einsamkeit, Ängste, Verdächtigungen und sogar Mord. Nun mag das zum Teil an der Vielsprachigkeit der zusammengefügten Bruchstücke liegen. Slowenisch, Englisch und Deutsch wird auf der Bühne durcheinander gewürfelt. Englische oder deutsche Übersetzungen wandern passagenweise über eine seitliche Leinwand. Das Lesen nebenbei macht es unmöglich, im Geschehen auf der Bühne zu bleiben, immer wieder wird man aus der Geschichte herausgerissen. Auch die Schauspielerleistung kann nur zum Teil überzeugen. Die in der Rolle der Liebenden, der Tochter, der Mörderin brillante Akira Hesegawa dominiert das Stück, stellt den hübschen, männlichen Darsteller, Jette Vejrup Ostan, weit in den Schatten. Aalglatt, mit gleicher, unbewegter Mimik, gibt er den gefühllosen Liebhaber, den Mann, den Sohn. Man fragt sich, ob gewollt, oder ungewollt. Oder war dem männlichen Part im Stück etwa die Rolle des kühlen Unnahbaren zugedacht, der des Erinnerns nicht vermag? Eine Version, die nicht wirklich befriedigen mag. Auch am Schluss fügen sich die erzählten Puzzleteile nicht zu einem Ganzen. Drei Menschen, drei Perspektiven, drei Wahrheiten – das allerdings, ist gewollt und ganz im Sinne der Produktion, und ihrem Vorbild, dem japanischen Filmklassiker „Rashomon“ von Kurosawa. Es gibt keine eine Wirklichkeit, sagt der Regisseur, und das kommt auch in den mitunter unverständlich erzählten Theater zum Ausdruck. Marion Hartig
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