
© A. Klaer
Kultur: Teurer Schrott
Das ungeliebte Gittergeländer im Potsdam Museum soll abgerissen werden. Bleibt die Frage, wer dafür die Rechnung bekommt
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Es ist Kunst und kann weg – so der gegenwärtige Stand der Debatte zum gitterartigen Treppengeländer im Potsdam Museum. Die erste Sitzung des Kulturausschusses nach der Sommerpause eröffnete Vorsitzende Karin Schröter (Die Linke) mit den Begrüßungsworten: „Schön, dass Sie wieder da sind – ich hoffe, Sie hatten Phantomschmerzen.“ Spätestens beim leidigen Thema Treppengeländer, mit dem sich der Ausschuss quasi seit Inbetriebnahme des sanierten Museumsgebäudes 2012 beschäftigt, wurden die Schmerzen real. Ein Antrag der Linken stand zur Debatte: Die Kosten für den Rückbau des Geländers sollen nicht dem Museum aufgebürdet werden.
Die Geschichte um das Metallgitter ist mittlerweile zu einer Realsatire geworden und birgt durchaus humoristisches Potenzial, wenn es nicht doch traurig wäre. Denn es geht letztlich um viel Geld. Die Kurzfassung lautet so: Die Stadt Potsdam lässt das Alte Rathaus am Alten Markt sanieren, damit das Museum für Stadtgeschichte hier einziehen kann. Der Kommunale Immobilienservice (Kis) übernimmt den Job im Auftrag der Stadt. Und beauftragt den Architekten Reiner Becker. Als 2012 alles fertig ist, staunt ganz Potsdam über ein wirklich schönes Haus. Und ein erstaunliches Treppengeländer. Über mehrere Etagen hinweg ist der Treppenhausschacht quasi mit einem Metallkonstrukt vom Fußboden bis zur Decke umgittert. Bald kommen erste Fragen nach dem praktischen und ästhetischen Sinn. Es sei hässlich, einengend und versperre den großartigen Blick aus der Fensterfront hinunter auf den Markt und den neuen Landtag. Das könne so unmöglich gewollt gewesen sein.
Tatsächlich stellt sich heraus, dass hier der Architekt ein wenig eigenmächtig gehandelt hat. Der Entwurf für das Geländer wurde nicht mit der Museumsleitung abgestimmt. In den Entwürfen war das nicht zu sehen, bei der ersten Begehung war es dann plötzlich da, heißt es seitens des Museums. „Ein sogenannter Käfig war nicht Gegenstand des Bauantrags“, so der damals zuständige Baudezernent Matthias Klipp (Grüne). Das Geländer sei in den Planzeichnungen wie üblich nur schematisch dargestellt gewesen. Es gebe daher weder eine Denkmal- noch eine baurechtliche Genehmigung für das Gitter. Warum es dennoch gebaut und abgenommen wurde – diese Fragen bleiben bis heute unbeantwortet. Nun ist es aber da – und laut Gutachten der Anwaltskanzlei Boehmert & Boehmert ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk.
Weg soll es trotzdem, darauf einigen sich die Stadtverordneten im vergangenen Jahr. Im März 2014 wird dazu ein Antrag der Grünen mit großer Mehrheit beschlossen. 50 000 Euro oder mehr würde das kosten, vermutet damals Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD). Mittlerweile hat der Architekt Reiner Becker einem Abriss zugestimmt. Weil es ohne Geländer aber auch nicht geht, muss ein neues her. Das darf dann nur ein ganz normales Geländer sein, kein Kunstwerk, sagte Kis-Werkleiter Bernd Richter jetzt im Kulturausschuss.
Wie so etwas aussehen kann, erklärte am Donnerstag in der Ausschusssitzung Christian Wendland, Architekt, der für das Bürgerbündnis im Ausschuss sitzt: ein schlichter Handlauf nach DIN in genormter Höhe. „Ich hätte das jetzige Ding nie abgenommen“, sagte er kopfschüttelnd. Das jetzige darf, sollte es abgebaut werden, allerdings weder komplett oder in Teilen anderswo Verwendung finden – eine Zweitverwertung auf dem Skulpturenpfad, wie ein Spaßvogel im Ausschuss vorschlug, sei ausgeschlossen. „Das Ding muss verschrottet werden“, sagte Richter.
Bleibt die Frage, wer das alles bezahlt. Hannes Wittenberg, stellvertretender Museumschef, und Bernd Richter vom Kis könnten sich folgende Lösung vorstellen: Der Kis geht in Vorleistung für Abriss und Neubau. Und legt die Kosten später um auf das Museum, was erhöhte Miet- oder Betriebskosten für das Haus bedeuten würde. „Wir hoffen, dass das dann im nächsten Haushalt mit einem entsprechenden Aufwuchs für das Museumsbudget berücksichtigt wird“, sagte Wittenberg. „Ich bin entsetzt“, entfuhr es Karin Schröter an dieser Stelle: „Hier muss ganz klar das Verursacherprinzip gelten.“ Auch hinterher bekräftigte die Ausschussvorsitzende: „Das muss der Kis bezahlen. Die Stadt war der Besteller.“ Es werde eine andere Deckungsquelle gefunden werden müssen. Keinesfalls sollen das Museum oder der Fachbereich Kultur dafür bluten. Der Antrag der Linken wurde in der Sitzung angenommen. Am 7. Oktober wird sich die Stadtverordnetenversammlung damit beschäftigen. Geplant sind Abriss und Neubau für Sommer 2017. Das Museum muss dann für einige Wochen schließen.
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