Kultur: Theater in Abendschule
Kooperation mit neuer Theatergruppe marameo
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Kooperation mit neuer Theatergruppe marameo So richtig wusste man nicht, was einen erwarten sollte, im Innenhof der Heinrich von Kleist Schule. Zwar sieht man zuweilen abends junge Erwachsene in der Toreinfahrt auf der Friedrich-Ebert-Straße verschwinden, ansonsten steht das vor kurzem renovierte Haus in der City mit seiner 265 Jahre alte Geschichte noch nicht in der Öffentlichkeit. Das wird sich diesen Sommer ändern, denn Angela Hoffmann, die Leiterin der Abendschule, ist sichtbar froh über die entstandene Kooperation mit dem theater marameo, das seinen jungen Ursprung in Sachsen-Anhalt hat. „Die Schule stellt der freien Theatergruppe die Infrastruktur“, wie Hoffmann vor etwa 50 „Schaulustigen“ am Dienstag zur ersten Präsentation erklärt. Sie hoffe, damit aus dem legendären Haus einen neuen Kulturstandort in der Stadtmitte zu schaffen. Der schöne Innenhof wird der professionellen Schauspieltruppe zunächst als Spielort für sechs Aufführungen von Goldonis „Diener zweier Herren“ zur Verfügung stehen. Eingefädelt hat diesen „Glücksfall für die Schule und für Potsdam“, wie die Direktorin erzählte, der persönliche Referent des Intendanten vom Hans Otto Theaters, Hans Nadolny, der den Kontakt zwischen der Schule und Andreas Lüder, dem künstlerischen Leiter der marameo-Truppe, herstellte. Lüder und weitere Ensemble-Mitglieder sind den Potsdamern vielleicht von der freien Gruppe „Poetenpack“ bereits ein Begriff. Vom Hof stiegen Schauspieler und Gäste in einen allenfalls Wohnzimmer großen Souterrainraum hinab, wo Ausschnitte aus dem Ensembleprogramm präsentiert werden sollten. Der anfängliche Zweifel, ob man gegen diese beengte, nüchterne Atmosphäre, noch dazu ohne eigentliche Bühne, überhaupt anspielen könne, war augenblicklich verflogen, als der an Hunger leidende Truffaldino aus Goldonis Komödie auftrat. Oliver Rickenbachers großartiger pantomimischer Schmerz lässt den scheinbar ausgemergelten Körper mehr und mehr krümmen, sein italienischer Gesang wird zum herzzerreißenden Klagelied. Die markerschütternden Trommelschläge des musikalischen Leiters, Botho Karger, dramatisieren den nächsten Ausschnitt, in dem Rainer Schubert die Gruselgeschichte „Das verräterische Herz“ von Edgar Allan Poe vorträgt. Schubert scheint wirklich dem Wahnsinn nahe, wie er in die Rolle der Erzählers hinein wächst, der tötet, weil er den Blick des „fürchterlichen Auges“ des alten Fortunato nicht mehr ertragen kann. Intensiv, unheimlich, packend. Ein Trommeltusch und schon ist man mitten im Konflikt zwischen Doris und George aus Bernard Slades“ Stück „Nächstes Jahr – gleiche Zeit“. Besonders Klaus Hänscheids tapsig-fleischige Bühnenpräsenz und seine kräftige Stimme erlaubten das augenblickliche Ausblenden des zuvor Gehörten und das sofortige Eintauchen in das dramatische Beziehungsspiel. Drei völlig unterschiedliche Stücke, und doch zeigte Marameo durch geschickte Überleitungen, dass es auch unter schwierigen Bedingungen sehr eindrucksvoll versteht, lebendige Illusionswelten entstehen zu lassen. Man darf sich getrost auf das Sommertheater in der Abendschule freuen. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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