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Von Klaus Büstrin: Theater in der Stube

Christina Siegfried eröffnete Papiertheater / Fünf Stücke stehen zunächst auf dem Spielplan

Stand:

Ein neues Theater will sich in Potsdam etablieren. Doch es braucht kein eigenes Haus mit allem technischen Drum und Dran. Nur einen großen Tisch, einen Stromanschluss und für das Publikum natürlich Sitzgelegenheiten. Dabei sollten es aber nicht mehr als 25 bis 30 Zuschauer sein. Als Theaterdirektorin hat sich Christina Siegfried selbst ernannt. Zugleich ist sie die einzige Spielerin. Ihr Privattheater nennt sie „paperback papiertheater“

Die Musikwissenschaftlerin beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dieser Theaterform. Im Jahre 2001 gastierte während der Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci das Papiertheater Invisius aus Berlin mit dem „Freischütz“ und mit „Hänsel und Gretel“. Christina Siegfried, damals noch Dramaturgin der Festspiele, war sofort begeistert von der Poesie dieses Theaterspiels. Sie testete die Möglichkeiten, selbst solch ein Papiertheater zu bauen, reiste deswegen in mehrere Orte, um sich verschiedene Mini-Bühnen anzuschauen, sich Rat und auch Mut für einen Start zu holen. Sie bestellte in einschlägigen Verlagen historische Figuren- und Kulissenbogen aus dem 19. Jahrhundert von Theaterstücken. Die einzelnen Figuren eines Stückes sowie die Kulisse wurden ausgeschnitten, auf feste Pappe aufgezogen und auf einer Schiene „festgezurrt“. Fertig war das Theater. Natürlich braucht es auch einen Rahmen, den fassadenartigen Vorbau Proszenium, geschmückt mit Pilastern, Figuren und Ornamenten. Auch diesen hat sie großer Kleinarbeit hergestellt. Sitzt man vor diesem Theaterchen, sein Bühnenausschnitt beträgt 34 mal 40 Zentimeter, entsteht der Eindruck, man befindet sich in einem Raum mit höfischem Ambiente.

Ein Theater für das Wohnzimmer also. Im 19. Jahrhundert – besonders seit der Biedermeierzeit – war es groß in Mode. Es war der „Fernseher“ der „guten alten“ Zeit. Vor allem der Bildungsbürger wollte die Stücke, die er im Theater erlebte, zu Hause nicht nur nachklingen lassen, sondern sie auch selbst spielen. Oftmals mit verteilten Rollen. Dann musste die ganze Familie die Texte lesen, denn meist hat hinter der Bühne nur ein Spieler Platz, der sich zugleich auch als Kulissenschieber betätigen muss. Wenn ein Klavier in der guten Stube stand, dann konnte der Aufführung einer großen Oper nichts mehr im Wege stehen. Das Repertoire reichte von der Oper und dem Schauspiel des großen Theaters bis hin zum Märchen. Das papierne Theater ist eine wichtige Quelle für die Theaterwissenschaft geworden, denn oftmals haben die Lithographen der Verlage die Bilderbogen den Inszenierungen der großen Bühnen nachempfunden. 1840 hatte die Firma Joseph Scholz in Mainz mit der Papiertheaterproduktion begonnen. Dafür wurden auch Vorlagen Karl Friedrich Schinkels verwendet. In Neuruppin produzierten die Verlage Gustav Kühn sowie Oehmigke & Riemschneider in mehr als 80 Jahren weit über 20 000 Bilderbogen, darunter zahlreiche für das Theater. Christina Siegfried hat nun Reprintausgaben verschiedener Verlage spielfähig gemacht. Es sind vor allem Märchen: Hänsel und Gretel, Der gestiefelte Kater, Aladin und die Wunderlampe, Rotkäppchen. Ab März kommt ein weiteres Stück auf den Spielplan „Mitten im Sommer-Nachts-Traum“ frei nach Shakespeare, gespielt auf einem elisabethanischen Theater. Gesprochen wird natürlich live und die Musik kommt von der CD. Kinder und Erwachsene haben gleichermaßen ihre Freude am Papiertheater. Christina Siegfried baut es in Kindergärten, Schulen und überall dort auf, wo Leute aller Altersgruppen Lust an Fantasie und Freude an der Illusion haben.

Anfragen über Tel.: (0331) 6474345 oder www.paperback-papiertheater.de

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