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Kultur: Theater und Film statt Sekt und Selter

Uraufführung im HOT-Kinder- und Jugendtheater: Ulrike Hatzers Menüüberraschung „Im falschen Film“

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Durch eine Schwingtür geht es hinein ins Vergnügen. Die Besucher sitzen dicht gedrängt an den Kneipentischen. Noch sind die Barhocker hochgestellt. Doch dann kommt ein Bus – als Kinderzeichnung orginell auf die Wand projiziert und in Bewegung versetzt. Ein leichtfüßiger junger Mann mit Sonnenschirm steigt aus. Erst zögerlich, dann immer selbstbewusster ergreift er von der Bar Besitz. Mixt sich einen „Manhattan“, dann einen „Caiphi“ – und ist selbst sein bester Gast. Wieder hält der Bus: Ein zweiter junger Mann stolpert hinein in die Kneipe. Und wenige Minuten später gesellt sich auch die selbstbewusste Emma dazu. Alle drei haben ein Schreiben in der Tasche, das ihnen eine Arbeit als Angestellte in eben diesem Lokal verspricht. Da aber nirgendwo ein Chef in Sicht ist, dem sie ihre unermesslichen Fähigkeiten vorstellen können, heißt es vorerst warten. Doch die drei sind nicht aus dem Holz geschnitzt, in Langeweile zu ersticken. Sie verkürzen sich die Zeit mit dem, was sie am liebsten mögen: mit Theaterspiel, Film, Musik. Flink setzt Emma die Krone auf den Kopf und fertig ist ihr Hamlet: „Sein oder Nichtsein ist hier die Frage!“

In dem Stück ist die Antwort ganz klar: Sein!!! Ein rosa Tuch um die Hüften und schon ist das Donröschen heraus geputzt. Sodann fletscht Dracula die Zähne, um kurz darauf zur jammernden Prinzessin auf der Erbse zu mutieren. Aus solch“ einem gewaltigen Fundus an Helden, Rettern, Dieben, die jeder reichlich aus seinem Fantasiesack zaubern kann, muss sich doch etwas ganz Besonderes kreieren lassen. Ein Film-Theater-Café ist die grandiose Idee. Statt Selter und Sekt, Entenbrust und Kaviar füllen hier aber verwunschene Wesen, gebrochene Herzen und süße Küsse die „Speisekarte“.

Bis dahin ist alles Vorspiel in dem Stück „Im falschen Film“, das Ulrike Hatzer gemeinsam mit ihrem Mini-Ensemble entwickelt und am Donnerstag in der Reithalle A zur quicklebendigen Uraufführung brachte. Der prickelnde „Aperitif“ hält indes, was er verspricht. Das Kunst-Vergnügen geht in seine nächsten, wohlschmeckenden Runden. Die Schauspieler Caroline Lux, Peter Wagner und Sebastian Stolz spielen sich slapstickartig, voller Komik und mit immer wieder neuen Ideen durch die drei Menüs, die vorher die Kinder bestellen durften. Die meisten waren bereits geübt, hatten schon bei einer Probe erfahren, wie man die acht Gänge der Menüs – Abenteuer, Liebe und Märchen – verschiedenartig mixen kann. Am Ende kommt immer wieder Neues, ebenso Schmackhaftes heraus. Das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“landet bei ihnen in der Abfalltonne.

Denn was sich kompliziert anhört, erweist sich auf der Bühne als ein kurzweiliges Vergnügen. Die zuvor an bekannten Potsdamer Schauplätzen gedrehten Videosequenzen verweben sich behende mit den Live-Aktionen auf der Bühne. Nicht alle Menüs sind in ihrer Konsistenz so ausgewogen wie bei einem Starkoch á la Tim Mälzer. Aber in ihrer Kreativität können sie sich durchaus mit ihm messen. Die Zutaten sind frisch, überraschend, vollmundig – ein Leckerbissen für die Sinne. Alle drei Schauspieler wissen ihrer Verwandlungsfähigkeit trefflich die Sporen zu geben und die Kinder folgen ihnen begeistert. Sie sehen eine Situation von verschiedenen Seiten beleuchtet und immer wieder springt eine neue Farbe ins Auge. Ihre eigene Gabe, sich neue Welten spielerisch zu erschaffen, wird hier trefflich aufgegriffen.

Nach den drei Menüs und einem Nachschlag sind die Gäste noch immer nicht gesättigt. Aber morgen macht das Café ja wieder auf: Mit neuen märchenhaften Liebesabenteuern, abenteuerlichen Liebesmärchen, liebevollen Märchenabenteuern. Heidi Jäger

Eine Familienvorstellung ist am Sonntag, 9. April, 15 Uhr, Reithalle A. Karten unter Tel. 0331-98118.

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