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Kultur: Tiefbau-Flirt mit mit sozialistischem Finale

Erwin-Strittmatter-Lesung im Krongut Bornstedt

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Erwin-Strittmatter-Lesung im Krongut Bornstedt Der Frühling naht, die Vogelwelt zwitschert, da hält sich auch das Hans Otto Theater nicht zurück. Am Sonntag gab es in der Reihe „Märkische Liebesgeschichten“ eine Wiederbegegnung mit den ersten Schaffensjahren des DDR-Schriftstellers Erwin Strittmatter, namentlich mit der Erzählung „Die Dame Daniel“ aus dem Jahre 1956, als der Autor, Mitglied einer LPG, Brecht-Gefährte und SED-Genosse, heftig um die „Kollektivierung der Landwirtschaft“ rang. Ganze Generationen hatten seinen „Tinko“ durchzurationalisieren, das schafft „Nachhaltigkeit“. Die im Krongut von Moritz Führmann recht bedächtig gelesene Liebesgeschichte zwischen dem verheirateten Tief-Bauarbeiter Paul und dieser ominösen Dame einer Uhrmacherwerkstatt spielt jenseits des 17. Juni in der Stalinallee, als die Arbeiter wieder emsig am Bau der neuen Ordnung schufen, darin es allen besser gehen sollte. Ganz den Anforderungen „der Partei“ an „Kunst und Kultur“ entsprechend, war auch die Ästhetik dieses Flirts mit sozialistischem Finale: Paul begegnet der mandeläugigen Geschmeidigkeit zum ersten Mal, als er einen Graben zur Abwasser-Entsorgung der sozialistischen Prachtstraße schippt. Weil es Frühling ist, verknallt er sich spontan in sie. Behufs nicht weniger kaputter Chronometer findet er Wege, ihren Laden zu betreten. Später erheischt er sogar einen flüchtigen Kuss, aber die ehrenamtliche Arbeiter- und Bauern-Gesetzlichkeit enttarnt das Biest zuletzt als „Uhren-Hure“. Ein Schalk, wer in den trotz Reparatur auffällig oft stehenbleibenden Dingern eine „kritische“ Metapher sehen wollte. Hier wurde einfach nur gepfuscht, genau wie beim optimistisch-literarisierenden Schluss der ganzen Chose. Gibt es denn nichts Besseres von Strittmatter? Die Mühen um „sozialistische Parteilichkeit“ war dieser Erzählung nun allewege anzumerken. Paul malt sich in der Frau Daniel ein vakantes Luftschloss, indes er seine Frau, welche sich auffallend lieb um ihn bemüht, einer Liaison mit seinem Brigadier „Lautsprecher“ verdächtigt. Derselbe spricht zum frühlingswirren Schipper vorarbeitermächtig: „Bring“ das mit deiner Frau in Ordnung“, und es geschah. So heilt sich die Welt an ihren getreuesten Dichtern. Der leicht unterkühlte Saal überm Café Victoria war diesmal nicht ganz gefüllt, dennoch hörten fast siebzig Gäste ihren Strittmatter mit Schmunzeln im Crescendo. Wieder gab Knut Kiesant eine, diesmal germanistisch neutral gehaltene, Einführung in Werk und Zeit dieser unverwüstlichen DDR-Ikone, behutsam deskriptiv, aber nicht unbedingt befruchtend. Er mochte sich auf den Ideologie-Streit, wie er schon während der 50-er Jahren in Sachen Ästhetik tobte, wohl nicht einlassen, Jahre, in denen Konfliktlosigkeit eingefordert wurde, weil man die wichtigsten Fragen der Gesellschaft fatalerweise als „gelöst“ hielt. Strittmatters Erzählung (mit autobiografischem Bezug) hielt sich auf Kosten der Glaubwürdigkeit daran, man spürte, wie Ideologie jedweden Kunstbetrieb verdorrt. So blieb es denn beim Spaß mit frühlingshaftem Kater-Schnurren und tollverliebtem Liebesknurren. War auch nicht wenig, zur gefälligen Unterhaltung. Die 90-minütige Lesung selbst hätte sich gewiss mehr gestalten lassen, was man vorträgt, muss man ja nicht auch noch zeigen. Musik zum Akkordeon gab“s wieder mal aus der ganz feminin komponierenden Hand Cathrin Pfeifers, leider ohne die poetischen Titel wie „Lila Papillon“ oder „Wie der Zufall es will“ anzusagen. Gerold Paul

Gerold Paul

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