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Von Klaus Büstrin: Tiefe Gefühle musikalisch bedacht Oratorienchor sang Dvoraks „Stabat mater“

Die berühmteste Mutter der Weltgeschichte ist die Mutter Gottes: Maria. Ihr wurde im Mittelalter das Gedicht „Stabat mater“ (Es stand die Mutter schmerzerfüllt) gewidmet.

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Die berühmteste Mutter der Weltgeschichte ist die Mutter Gottes: Maria. Ihr wurde im Mittelalter das Gedicht „Stabat mater“ (Es stand die Mutter schmerzerfüllt) gewidmet. Es beschreibt die Leiden im Angesicht des Kreuzestod ihres Sohnes in ergreifender Weise. Komponisten aller Musikepochen nahmen sich dem Text an. Auch Antonin Dvorak. Tiefe Gefühle werden hier musikalisch bedacht, aber Dvorák tut das nicht aus einer verkopft-frömmlerischen Ecke heraus. Der vom Schicksal gebeutelte Komponist, der kurz hintereinander den Tod dreier Kinder miterleben musste, lässt vielmehr in seiner Musik eine tief empfundene und sich auch ebenso tief mitteilende natürlich gefühlte Frömmigkeit aufscheinen, in der Schmerz, Trauer und sogar eine Art inniger Heiterkeit ineinander verwoben sind.

Der Oratorienchor Potsdam hat unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob das wohl schönste sakrale Werk des böhmischen Komponisten am Samstag, also am Vorabend des Palmsonntags, in der sehr gut besuchten Friedenskirche Sanssouci aufgeführt. Neben- und miteinander scheinbar Gegensätzliches findet man in dem Werk. So ein vom Chor intonierter ernster Trauermarsch, dem ein feierliches Bass-Solo folgt, dem sich ein im Sechsachteltakt schon geradezu dahertanzendes Chorstück wie aus einer böhmischen Oper anschließt, das wiederum einem fast schon Heiterkeit transportierenden Tenorsolo mit Ohrwurmcharakter vorangeht, ehe der Chor sich in Innigkeit zurückzieht, worauf wieder Klagen und Schmerz folgen. Ein überwältigendes, farbenreiches, den Hörer emotional fesselndes Klanggemälde auf durchaus slawisch-volkstümlichem Grund.

Oratorienchor-Dirigent Matthias Jacob leistete auch an diesem Abend ganze Arbeit. Dvoráks Musik blieb unter seiner Leitung in ständigem, betörend schönem Fluss. Er hat die Chorsängerinnen- und sänger gut und sicher vorbereitet, so dass sie wieder gut disponiert waren, mit schöner Natürlichkeit sangen. Man bewegte sich, egal ob in Intonation oder Dynamik, ob in der Balance mit Orchester und Solisten oder in den a-cappella-Sequenzen oder was die gemeinsame Ansprache bei den genauen Einsätzen angeht, auf erstaunlichem Niveau – in allen Stimmlagen. Eine beeindruckende Leistung. Auch die Brandenburger Symphoniker musizierten an allen Pulten engagiert, und mit schönem Ton. Chor und Orchester bildeten ein stimmiges Ensemble.

Die Wahl der Solisten war insgesamt trefflich gelungen. Mit glaubwürdiger Empfindung, ohne übertriebene Sentimentalität sondern ehrlich und anrührend interpretierten sie Dvoraks Musik. Mit kleinen Abstrichen jedoch die Sopranistin Stephanie Weiss, die zwar mit ihrer schönen Höhe für sich einnahm, aber insgesamt zu wenig Ausstrahlung hatte. Tonsicher ausgeformt, entfaltete Barbara Bornemanns Alt vor allem in ihrem Solo „Inflammatus et accensus“ eine große gestalterische Kraft. Schön, dass sie wieder in Potsdam zu hören war. Joseph Guyton sang mit feinem Belcanto und lyrischer Ausstrahlung die Tenorpartie, doch in den dramatischen Ausbrüchen fehlt bisher noch der gewisse Aplomb. Mit ihm kann Andreas Bauer aber bestens aufwarten.  Sein schwarzer Bass prägte das Solistenquartett nicht nur gesanglich, sondern auch emotional und gedanklich. Insgesamt erlebten die Zuhörer eine ergreifende Aufführung zur Einstimmung auf die Karwoche.

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