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Tom Schilling & The Jazz Kids verbinden gleich mehrere Musikgenres.

© Oliver Dietrich

Konzert im Waschhaus: Tom Schilling legt eine falsche Fährte

Kein Jazzkonzert mit Tom Schilling & The Jazz Kids: Am Donnerstagabend sang der Schauspieler im Waschhaus und glänzte mit musikalischem Querschlag.

Potsdam - Aha, ein Jazzkonzert. Was sollte es auch anderes sein? Allein der Name: Tom Schilling & The Jazz Kids, das klingt doch schon nach verspielter Jazzadaption, vielleicht sogar als Parodie. Passt ja auch zu Tom Schilling, dem Ostberliner Schauspieler, der in Filmen wie „Napola – Elita für den Führer“ oder in „Mein Kampf“ gleich den Führer selbst spielte, bevor er 2012 mit „Oh Boy“ den Deutschen Filmpreis einstrich. Tom Schilling im 20er-Jahre-Zwirn als Vorkriegs-Jazzinterpret - das scheint nicht abwegig. 

Eine falsche Fährte, dennoch. Den feinen Zwirn hatte er am Donnerstagabend im ausverkauften Potsdamer Waschhaus zwar an, und sein Opener mit der Marlene-Dietrich-Interpretation „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ deutete den Zeitsprung auch an – aber letztlich hatte das Konzert mit herkömmlichem Jazz herzlich wenig zu tun, der wurde höchstens in einen edlen Matinée-Chic paraphrasiert.

Kurz vor Schillings Konzert hatte Andreas Vey als Support bereits falsche Erwartungen geweckt, der mit Falsettstimme und pfundweise Pathos US-Pianopop spielte: Handwerklich ziemlich beeindruckend, was der verträumte Wuschelkopf mit seiner Stimme anstellte, die er auf- und abmäandern ließ. Doch letztlich verharrte das Konzert in coldplayesker Blässe. Und dies lag nicht an Veys sentimentaler, facettenreicher Stimme, sondern daran, dass es offenbar immer noch keine technischen Möglichkeiten gibt, ein simples Keyboard mit dem satten Sound eines waschechten Flügels auszustatten. Schade eigentlich. 

Tom Schilling mehr als präsent

Nun mag Tom Schilling selbst zu gern mit Blässe kokettieren, was an seinem überaus zarten Erscheinungsbild liegt - musikalisch war er mit seiner Band jedoch mehr als präsent. Schwer und aufgeladen walzte sich Letztere durch den Abend, während Schilling dazu mit zerbrechlicher Stimme reine Poesie hinaussang: von einer „einst so stolzen Stadt“, die stirbt, während „aller Glanz in Scherben“ liegt. Ja, dit is Berlin, eindeutig! Schilling spannt erfolgreich den Bogen von Marlene Dietrich zur Ostberliner Liedermacherin Bettina Wegner, die mit „Kinder (Sind so kleine Hände)“ an die eigene Haltung appelliert.

Der Sänger selbst taumelt derweil trunken über die Bühne, zaghaft, abwesend, während er beinahe entschuldigend den roten Lichtkegeln ausweicht, die über Bühne und Publikum peitschen. Das „Jazz“ im Bandnamen ist derweil nur ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Musikströmungen, die an diesem Abend wild verbunden wurden.

Dass dieser musikalische Querschlag so gut funktioniert, liegt wohl an dem textintensiven Spektakel. „Im letzten Sommer meiner Kindheit spring ich von Haus zu Haus“, singt Tom Schilling, „bitter und süß sind die Tränen im verlorenen Paradies“. Wie schnell so ein Abend doch vorbei sein kann. Zuletzt wird Rio Reisers „Der Turm stürzt ein“ angestimmt und als eine letzte Reminiszenz an die Vergänglichkeit des irdischen Seins hinauskatapultiert. Und mal ehrlich: So etwas hätte reiner Jazz nie gekonnt. 

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