Kultur: „Totgeburt“ zum Klingen gebracht „Alfonso und Estrella“
im Nikolaisaal
Stand:
Franz Schuberts große heroisch-romantische Oper „Alfonso und Estrella“ mit dem Libretto von Franz von Schober ist eine Totgeburt. Daran erinnerten der Osnabrücker Musikprofessor Hans Christian Schmidt-Banse und seine Frau Annette Kristina Banse am Nachmittag des Pfingstmontags im Nikolaisaal-Foyer. Natürlich wurde die dreistündige Oper nicht aufgeführt, sondern ihre verschlankte Fassung für Bläseroktett und Kontrabass. Arrangiert wurde sie von dem Komponisten Andreas N. Tarkmann, der sich mit zahlreichen Bearbeitungen von verschiedensten Werke einen Namen gemacht hat. Musiker der Kammerakademie Potsdam nahmen sich nun „Alfonso und Estrella“ an und gaben sie konzertant zum Besten, als Harmoniemusik. Zu Lebzeiten Schuberts kam die Oper nie auf die Theaterbühne. Auch Franz Liszts Bemühung, dem Werk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, scheiterte. „Der Mangel an szenischer Erfahrung und dramatischer Auffassung wird jeden Augenblick bemerklich“, stellte der Komponist in Weimar fest.
Die Geschichte erzählt von den zwei verfeindeten Herrschern Mauregato und Froila, deren Kinder Estrella und Alfonso zueinanderfinden. Sie spielt in einem Mittelalter-Märchenland, könnte aber auch von Rosamunde Pilcher stammen. Das Osnabrücker Sprecherehepaar hat eine Textfassung erarbeitet, die es selbst vortrug. Trocken-humorig wurde sie von ihm im Nikolaisaal nacherzählt. Szene für Szene konnte man gut verfolgen. Aber das genügte den Banses natürlich nicht. Kundig sprachen sie über interessante Hintergründe zur Entstehung der Oper, zur Zeitgeschichte und natürlich über die Musik selbst. Da wurde nach der Pause reichlich über Wert und Unwert der Komposition palavert. „Ich finde Schuberts Musik ausgesprochen liebenswert, mich rührt sie an“, war die Meinung des Sprechers. Die Partnerin konterte: „Genau das ist ihr Problem, sie rührt, aber sie rüttelt nicht.“ Solch ein Schlagabtausch wirkte vorgelesen nicht sehr natürlich, sondern eher inszeniert, gestelzt.
Um einen ungefähren Einblick in Schuberts musikalische Erfindungen zu bekommen, war man auf die instrumentalen Darbietungen vom Bläseroktett und dem Kontrabassisten Tobias Lampelzammer von der Kammerakademie Potsdam, die sie gemeinsam mit Musiker-Gästen offerierten, gespannt. Das Liedhafte bestimmt weitgehend das Geschehen. Somit wirkt manches mit der Zeit stereotyp. Die Figuren sind musikalisch allesamt sehr lieb gezeichnet. Ein einziges Mal wird der melodienselige Trott verlassen, wenn mit dem Fagottsolo (exzellent: Christoph Knitt) der Bösewicht dramatisch gezeichnet wird. Tarkmanns Fassung von „Alfonso und Estrella“ ist hübsch anzuhören, hier und da wurde sie mit einigen Farben bedacht, doch im Großen und Ganzen verweilt sie im vorgegebenen Raster. Doch die Musiker der Kammerakademie machten das Beste daraus und überzeugten durch ihr stimmiges Spiel. Die jeweiligen Melodielinien wurden von den führenden Bläsern klar herausgearbeitet und auch in der Dynamik schafften sie ein breites Spektrum vom Pianissimo bis zum Fortissimo. Klaus Büstrin
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