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Verloren im Schloss. „Der Diener und sein Prinz“ mit Nadine Boske, Julian Trostorf und Peter Wagner (v.r.).

© HOT/Göran Gnaudschun

Kultur: Traum-Paar

Marita Erxleben inszenierte „Der Diener und sein Prinz“ in der Reithalle des Hans Otto Theaters

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In einem riesigen Schloss zu leben, allein zu zweit, da muss ja Langeweile aufkommen. Und so nimmt auch diese Inszenierung einen etwas behäbigen Anlauf, bis sie richtig in Fahrt kommt. Erst müssen unzählige nutzlose Zimmer durchmessen, anstrengend sinnlose Dispute um prinzenhafte Allüren ausgetragen werden. Das Stück „Der Diener und sein Prinz“ von Gertrud Pigor, das am Donnerstag am Hans Otto Theater Premiere hatte, ist nicht unbedingt ein Selbstläufer, der vor Spannung knistert. Manche Botschaft kommt auf leisen Sohlen durch die Hintertür und verlangt von einem Sechsjährigen schon einen ziemlichen geistigen Spagat. So wird sich nicht jedem ohne Weiteres der janusköpfige Schlüssel-Satz „Du bist Diener und Prinz zugleich“ erschließen. Dafür aber gibt es jede Menge unterhaltsamen Slapstick und drei Schauspieler, die Regisseurin Marita Erxleben mit Witz und Hingabe durch das Rennen schickt.

Ausstatterin Alexandra Hahn, die bereits bei „Romeo und Julia“, „Motte und Co“ sowie „Die Schneekönigin“ mit Marita Erxleben am Hans Otto Theater zusammenarbeitete, lädt in ein Schloss ohne plüschigen Überschwang ein. Es gibt einen stilisierten Halbmond und Eckturm, kleine Podeste, rote Läufer und viel Platz zum Spielen: Zwischen dem Himmelbett des schlaflos an sein Geld denkenden Prinzen und dem kalten Kellerverlies, in dem der Diener, von der Arbeit geschafft, wie ein Stein in den Schlaf fällt. Nachdem der Prinz sein gesamtes Gefolge entlassen hat, entspinnt sich mit dem einzig übriggebliebenen Diener eine etwas skurril anmutende Freund-Feind-Männerliaison. Der selbstsüchtige, launische Prinz drangsaliert den unterwürfigen Diener, was das Zeug hält. „Diener können alles und lassen sich piesacken“, heißt es in dem Stück, das auf schlichten Reim und schwungvolle, mit Volksliedern durchzogene Musik (Heiko Klotz) setzt, durch das eine flotte Erzählerin führt. Mit ihrem roten Schirm durchfliegt Nadine Boske die Szenen und kommentiert das Kratzen, Balgen, Scharwenzeln der närrischen Männer. An ein Aufbegehren des Diener-Dussels ist nicht zu denken. Er hat sich in seine Rolle eingerichtet. Bis schließlich eine gewiefte Verkäuferin ans Schlosstor pocht. Im Handumdrehen schwatzt sie dem geblendeten Prinzen eine Maschine auf, die einfach alles kann: Betten machen, Käsebrote schmieren, Witze erzählen. Prinz Einfalt entlässt prompt seinen letzten menschlichen Gefährten. „Warum noch dienen? Dafür gibt es doch Maschinen.“

Aber was wird aus jemanden, der immer nur den Buckel krumm gemacht hat und nun prinzgeschädigt ausgespuckt wird aus dem „sozialen“ Netz des Kapitals. Er muss sich an der Welt messen, sein Rückgrat wieder aufrichten lernen. Wie Hänschen Klein zieht er hinaus. Und mit diesem Auszug nimmt die Inszenierung auch an Fahrt auf. Irgendwann folgt der Prinz: sattgespielt am Computer, der doch nicht den „Freund“ ersetzt. Prinz lernt, vom überflüssigen Reichtum befreit, den Wert der Arbeit schätzen. Und so eröffnen Diener und Prinz am Ende gemeinsam ein Schloss-Café. Auf Augenhöhe. So soll es sein. Marita Erxleben zelebriert kein Ende mit Paukenschlag. Man ahnt, dass alles auf tönernden Füßen steht. Sie versucht, Pathos zu vermeiden, setzt stattdessen in dieser Roadmovie der Erkenntnis auf präzise Körpersprache sowie auf kantige sowie schrullig-sympathische Wegbegleiter. Nadine Boske springt in mehrere Rollen und erfreut mit vielfarbigem Spiel. Auch Peter Wagner schafft es als Diener, in ehrlich klarer Darstellungsweise mitzureißen. Er lässt seine Figur, den alles verzeihenden Menschenfreund, allmählich wachsen und sich aufrichten. Verzweiflung schlägt um in Tatendrang. Julian Trostorf gibt dem Prinzen eine noch etwas blasse Kontur, weiß aber durchaus gleichberechtigt im Dreier-Spiel-Gespann mitzuziehen. Nein, eigentlich sind sie zu viert. Auch Rita Nauke am Klavier spielt ihren mal anheizenden, mal untermalenden Part zupackend und mit Augenzwinkern. Ja, und wer ist nun eigentlich der Prinz? Der von den Eltern verhätschelte Sohn, der am Ende andere tyrannisiert? Das Prachtschloss als Metapher ist vielleicht ein etwas zu groß geratener Schlüssel im Schloss der Erkenntnis.

Nächste Aufführung am heutigen Freitag, 10 Uhr, Reithalle, Schiffbauergasse

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