Von Philipp Kühl: Traummaler mit Narrenfreiheit Naked Raven
füllten das Waschhaus
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Als Naked Raven 1996 von Australien aus zu ihrer ersten Europatour aufbrachen, führten sie noch Rucksäcke, Zelte und einen Campingkocher mit sich. Doch die Dinge haben sich geändert. Zwölf Jahre und einige personelle Veränderungen später, kommen sie als einer der Höhepunkte des Potsdamer Jazzfestivals nach Deutschland. Sicherlich ist die Musik von Naked Raven kein Jazz im klassischen Sinne, doch das tut den Sympathien für diese außergewöhnliche Band keinen Abbruch.
Ein gut gefülltes Waschhaus wartet andächtig auf die fünf altbekannten Musiker um Sängerin Janine Maunder. Als sich die ersten Töne durch die bestuhlte Arena schmiegen, setzt so etwas wie eine nach außen gerichtete Meditation ein. Die Fans der Band wissen, was sie von einem Abend mit Naked Raven zu erwarten haben und sie werden alle belohnt. Die Musiker bieten ein außerordentlich feines und sensibles Instrumentenspiel. Damit schaffen sie einen Raum, in den sie nun Stück für Stück die emotionale Essenz ihrer Songs projizieren.
Besonders der weibliche, verspielte Part der Formation an Violine, Cello und Klavier füllt die Lieder mit Phantasie und Poesie. Der männliche Teil der Band an Gitarre und Perkussion legt die gut dosierte Basis für die melodischen Folk-Balladen, die in ihrer atmosphärischen Dichte, den eindringlichen Gesangsparts und den sehr dynamischen Tempi-Wechseln eine Plattform für Träumer bieten. Man driftet unfreiwillig ab. Jedoch nicht aus Langweile, nein, man beginnt einfach, Bilder zu malen. Fast scheint es so, als würde sich im Zuge dessen auch die Band auflösen. Die Musiker sind statisch, in sich gekehrt und verlangen, bis auf Sängerin Janine Maunder, kaum Aufmerksamkeit.
Nach einer Weile fühlen sich diese immer wiederkehrenden Stilmittel jedoch etwas verbraucht an. Wo ist der wachrüttelnde Schrei nach all dieser Melancholie? Wo ist die Vielseitigkeit des Lebens nach einer Stunde Schwebezustand? Und endlich beantwortet die Cellistin Anne-Christin Schwarz diese Fragen mit einem leidenschaftlichen Solo inmitten eines dynamischen Crescendos. Das Publikum reagiert mit spontanem Beifall auf diese Präsenz und zum ersten Mal an diesem Abend ist der Applaus heftig und involviert. Doch auch ohne diesen Weckruf ist die Zustimmung der Fans für die Traummaler ungebrochen. Naked Raven besitzen Narrenfreiheit. Wie im Himmel so auf Erden.
Philipp Kühl
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