zum Hauptinhalt

Kultur: Treu bis in den Tod

Premiere von Christoph Willibald Glucks Oper „Alkeste“ an der Musikakademie Rheinsberg

Stand:

Premiere von Christoph Willibald Glucks Oper „Alkeste“ an der Musikakademie Rheinsberg Prinz Heinrich, musenerpichter Bruder Friedrichs II., ist von den Werken des Opernreformators Christoph Willibald Gluck besessen. Dessen Novitäten lässt er bald nach ihren Uraufführungen in Wien oder Paris in seinem Schlosstheater in Rheinsberg nachspielen. Und zwar alle! Er inszeniert selbst, spielt mit, lässt Köche und anderes Dienstpersonal agieren. Dass die deutsche Erstaufführung der „Iphigenie auf Tauris“ Anfang Mai 1783 hier in Rheinsberg stattfindet, scheint daher nur logisch. Auf diesen historischen Spuren lustwandelt die Musikakademie Rheinsberg, die während ihrer österlichen „Festtage der Alten Musik“ im vergangenen Jahr die heitere Liebeskomödie „Paris und Helena“ erfolgreich vorzeigt. In diesem Jahr ist es das Drama um „Alkeste“, das schon 1787 auf dem Spielplan des prinzlichen Theaters steht. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch die von Prof. Siegfried Matthus geleitete Kammeroper Schloss Rheinsberg sich mit Gluck beschäftigt. Vor zwei Jahren hat sie mit der „Iphigenie in Aulis“ reüssiert - inszeniert vom Griechen Georgios Kapoglou, der sich nunmehr mit der „Alkeste“ bei der Musikakademie als Regisseur verdingt hat. Seine szenischen Einfälle bauen auf die Schlichtheit und Würde des Werkes. Sie erzählen bereits während des musikalischen Vorspiels vom harmonischen Familienleben des thessalischen Königs Admetos, seiner Gattin Alkeste und den beiden Kindern. Sie sparen nicht mit archaischen Ritualen, pyrotechnischen Effekten und Magie-Versuchen, die sich jedoch im Falle des Opfer-Kaninchens Styx als fauler Zauber (nach Orakelspruch durch den Oberpriester) herausstellen. Mehr an tiefenschürfenden Ambitionen zur szenischen Ausdeutung des antikischen Erlösungsmythos'' hat Kapoglou jedoch nicht zu bieten. „Der König muss sterben noch heut'', wenn ein andrer für ihn nicht zum Opfer sich beut“, verkündet das Orakel grausige Botschaft. Arienfurios schleudert Alkeste den „Erhabenen Göttern des Styx“ ihren Entschluss entgegen, ihr Leben für das des unheilbar erkrankten Gatten zu opfern. Gesagt, getan. Sie ergibt sich der Unterwelt, die sich als wogende und wandernde Wesensgruppe unter gazebehangenen schwarzen Regenschirmen auf der leeren Szene präsentiert; er darf leben. Um Liebe und Tod, Selbstaufgabe, Opferbereitschaft und Treue geht es in dieser „Alkeste“, die in ihrer deutsch gesungenen Pariser Urfassung am Gründonnerstag ihre mit Ovationen gefeierte Premiere erlebt. Die Solopartien waren zuvor an deutschen Musikhochschulen ausgeschrieben, um talentiertem Nachwuchs unter sorgsamer Anleitung erste Bühnenerfahrungen angedeihen zu lassen. Alle nutzen sie die Chancen. Zuvörderst Christina Niessen als Alkeste. Stattlich in Statur und mit einer hochdramatischen Sopranstimme ausgestattet, steigert sie sich geradezu selbstvergessen in die Todesbereitschaft hinein. Voluminös, kraftvoll, strahlend und höhenverschwenderisch, anfangs jedoch noch etwas grell wirkend, steht sie das stimmmörderische Seelendrama mühelos durch. Darstellerisch bleibt sie – von der Regie im Stich gelassen – allerdings blass. Neben ihr profiliert sich Stefan K. Heibach (Admetos) mit kraftstrotzendem Tenor, der im Dramatischen überzeugt, im Lyrischen nicht. Ganz auf atemtechnischen Hochdruck setzt auch Meik Schwalm als Oberpriester, Orakel und ungeschlachter Herakles, der schließlich den Unterweltgott Thanatos (Ki-Yong Kim) in die Flucht schlägt. Statt gesangliche Delikatesse auf dem Silbertablett zu servieren, offeriert er – farblos und röhrend – gleichsam Currywurst mit Majo auf einem Pappteller. Solches Dauerespressivo für die Darstellung von Trauer bestimmt nicht nur stimmlich, sondern auch gestalterisch das Geschehen von Anfang an. Steigerungsmöglichkeiten sind dann eben nur noch mit Kraftakten zu stemmen. So hört und sieht es sich leider auch an. Der aus einstigen „Händel“-Gymnasiasten und jetzigen „Eisler“-Studenten bestehende „Ad libitum“-Chor (Einstudierung Rustam Samedov) zeigt große Gesten und Gänge vor, rennt wie aufgescheuchte Hühner umher, gibt sich pantomimisch bis tänzerisch, singt mit dramatischem Aplomp. Seine Kostüme sind heutiger Straßenkleidung nachempfunden, die der Solisten stilisiert (Viola Weltgen). Bemalte Stoffbahnen genügen, um das antike Griechenland anzudeuten (Florian Eickelberg). Aus dem gegenwärtigen Hellas kommt auch der Dirigent Symeon Ioannidis, der mit dem „Orchester 1770“ (Studenten der „Eisler“-Musikhochschule und der Universität der Künste Berlin) einen spannungsgeladenen, schlanken und entromantisierten, nicht immer sehr präzisen Gluck spielt. Ihre Begeisterung für den Komponisten steht der von Prinz Heinrich in nichts nach. Peter Buske Weitere Vorstellungen: 24., 25., 30. 4., 1.5 (je 19.30 Uhr) und 2.5. (15 Uhr). Schlosstheater Rheinsberg. Kartentel.: (033931) 20 59.

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })