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Von Klaus Büstrin: Trotziger Lobpreis

Franz Schuberts Messe Es-Dur erklang am Ostersonntag im Nikolaisaal

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Zwischen der Kammerakademie Potsdam und dem Neuen Kammerchor Potsdam gibt es schon seit mehreren Jahren eine Zusammenarbeit, sogar eine sehr erfolgreiche. Bisher beschränkte sie sich auf Opernproduktionen im Schlosstheater im Neuen Palais, vor allem innerhalb der Potsdamer Winteroper.

Erstmals lud das Hausorchester des Nikolaisaals den Kammerchor zur Mitwirkung in einem Konzert ein. Beide Ensembles sind jung an Jahren, doch sehr erfolgreich. Am Ostersonntag musizierten sie nun im Nikolaisaal gemeinsam unter der Leitung von Michael Sanderling, dem künstlerischen Leiter der Kammerakademie Franz Schuberts Messe in Es-Dur, ein Werk, das in Potsdam letztmalig in den siebziger Jahren in der Erlöserkirche aufgeführt wurde. Der Kammerchor zeigte dank seines Leiters Ud Joffe, der für die Einstudierung verantwortlich zeichnete, wieder eindrucksvoll seine technischen Fähigkeiten. Durch Präzision in jeder Stimmlage erreicht er einen durchweg differenzierten Klang, der besonders in den polyphonen Abschnitten durch filigrane Ausarbeitung beeindruckte.

Die Es-Dur Messe wurde von Franz Schubert, der insgesamt sechs Messen schrieb, in seinem letzten Lebensjahr (1828) komponiert. Er soll über das Werk gesagt haben, dass er „das Höchste in der Kunst“ angestrebt habe. Erst ein Jahr nach Schuberts Tod erklang sie zum ersten Mal in der Wiener Kirche Zur Heiligen Dreifaltigkeit. Sein Freund Michael Leitermeyer war der Kapellmeister. Sie kündet nicht allzu sehr von der frohen Botschaft der Auferstehung Christi. Der Skeptiker Schubert hat in diesem großen Werk eher seine Zweifel musikalisch zusammengefasst. Aus einem orchestralen Abgrund erklingt das „Kyrie“ (Herr, erbarme dich) des Chores: ein zerquältes Zagen und dumpfe Verzweiflung. Erst in den Streichertriolen des Lobgesangs ändert sich die Stimmung. Wunderbar dann der a-cappella- Einsatz des Chores im „Gloria“. Bemerkenswert mit welcher Sicherheit die Klippen des Satzes genommen wurden.

Hinter jedes „Ich glaube“ machte der Komponist im „Credo“ musikalisch ein dick gesetztes Fragezeichen. Dieses Ringen um Glauben im Bekennen, das Kernstück der Messe, fand einen präsenten, beweglichen, präzis artikulierenden und akzentuierenden Chor und ein inspiriert musizierendes Orchester. Das Sanctus (Heilig) erklang dann eher als ein trotzig zähneknirschender Lobpreis.

Das „Incarnatus est“ (Er ist Fleisch geworden) stellt hohe Anforderungen an Orchester und Solisten. Es ist ein wahres Juwel musikalischer Eingebung. Schubert hat hierbei zwei Tenöre und einen Sopran vorgesehen. Isa-Katharina Gerickes zarter Sopran sowie die geschmeidig lyrischen Stimmen von Michael Smallwood und Karol Cieplucha wussten gemeinsam mit der Kammerakademie und dem Neuen Kammerchor einen wunderbaren Spannungsbogen herzustellen. Erst im Benedictus (Hochgelobt sei, der kommt) gesellen sich die Alt- und die Bassstimme (Christina Khosrowi und Tobias Berndt mit imponierend edlen Stimmen ausgestattet) hinzu.

Michael Sanderling, der teilweise sehr lebendige Tempi nahm und das Werk sehr sinfonisch nahm, scheint von Schuberts Musik innerlich hingerissen zu sein. Dies war am Ostersonntag unüberhörbar. Leidenschaftlich aber auch seine aufklärerische Intensität. Das Publikum im Nikolaisaal dankte Michael Sanderling und allen Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus für eine Interpretation, die stark reflektierenden Charakter hatte.

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