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Kultur: Trügerische Hüllen

„Experimentelles Symposium“ in der fabrik

Stand:

Zwei Männer kauern auf kniehohen Stühlen. Sie reden über eine Krisensituation, ruhig und würdevoll. Auf ihren Knien fleischfarbene Stoffetzen. Damenstrumpfhosen. In großer Ruhe wird der Stoff entfaltet, gedehnt, zerschnitten. Die Reste ziehen sich die Männer über den Kopf, stopfen dann Wattebällchen unter die Strumpfhaut. „Wir wollen der fabrik danken“, sagen die Strumpfköpfe abschließend, die jetzt aussehen wie Brüder von David Lynchs „Elefantenmensch“. Und fordern das Publikum auf, sich umzusehen und auf die Suche nach weiteren Krisen zu begeben.

Die Szene war die Eröffnungsperformance von „A Body is as a Body isn’t“, der eine Nacht und einen Tag dauernden Marathonveranstaltung, die am Wochenende in der fabrik stattfand. Die „Krisen“: Kurzfilme, Dias und Texte in der "Tool Box", einer großformatigen für das Symposium errichteten Holzinstallation. Die bestrumpften Redner waren die Initiatoren William Wheeler und Stefan Pente, seit November 2006 und noch bis Ende September Artist-in-Residence in der fabrik. Als ein „experimentelles Symposium“ war die Veranstaltung angekündigt worden. Die alles verbindende Frage: Was ist das eigentlich, ein Körper?

In einigen Teilen war das Symposium leider das, wonach es klingt: für Zaungäste wenig zugänglich. Vor allem da, wo viel geredet wurde. Eine Reihe von „performativen Vorträgen“ versuchte zwar, mit konventioneller Vortragskultur zu brechen und die Körperlichkeit des Redners mit in Szene zu setzen, jedoch nicht immer überzeugend. Der Beitrag von Tim Stüttgen sagte trotz der mit Federmasse, hohen Hacken, Porno-Schnipseln und Schlagsahne-Sperma vermischten Texte des Philosophen Giorgio Agambens nicht viel.

Anders Stefan Pentes „Ich liebe das Monster liebt mich“: Monster beschrieb Pente hier als logisches Resultat des Humanismus, der Ausgrenzungen hervorufe - und alles mit einer ins fiebsig Lächerliche verzerrten Stimme. Der Redner, der die Monstrosität, über die er spricht verkörpert: ein einprägsames Bild.

Die stärksten Momente entstanden aber, sobald Sprache das Feld räumte. Als etwa die Berlinerin Antonia Baehr in ihrem Stück „Lachen“ sieben Minuten lang in verschiedensten Stimmlagen lachte, immer im Dreiviertel-Takt. Oder als der Italiener Alessio Bonaccorsi in seinem Stück „Icons“ zeigte, wie scheinbar einfach der körperliche Wechsel vom unbelasteten Kind zur krauchenden Spinnengestalt, zum Dandy, zur versteinerten Ikone ist. Hier wurde deutlich, wie sehr körperliche Haltungen unser Bild von einander formen. Und wie willkürlich, trügerisch unsere auf Äußerlichkeiten basierten Bilder von einander sind.

Eine Szene in „OmU – Original mit Untertitel“, der ersten Choreographie von Sasha Waltz Tänzerin Laurie Young, nahm die Naivität, mit der wir das Äußere unserer Gegenüber oft deuten ironisch auf. Zwei Frauen mit asiatischen Zügen (die Kanadierin Laurie Young und die Deutsche Lena Meierkord) werden von einem Mann (William Wheeler) mit japanischen Sätzen traktiert. Die Frauen kichern, lachen, reden Deutsch und Englisch, aber der Mann weicht nicht vom Japanischen ab. Was erst komisch ist, zeigt auf eindrückliche Weise, wie sehr wir in Vorurteilen, festgelegten Vorstellungswelten festhängen. Auf einer schmalen Leinwand über der Bühne erscheinen die Worte: „In deiner Vorstellung siehst du, was du willst“.

Was ein Körper nun genau ist, verriet „A Body is as a Body isn''t“ nicht. Statt Antworten hagelte es Brechungen, als wollte man sagen: Sobald du dir ein Bild vom Körper machst, ist es falsch. „It wasn’t me“ sagen die vier Tänzer in „OmU“ auch immer wieder, jeder Kategorisierung vorbeugend. Hier, wie auch in vielen anderen Beiträgen, war der Körper vor allem ein Trugbild, eine oft spielerische Einladung zu Fehlschlüssen und Fehlinterpretationen. Eine Art Finte, der wir immer wieder, im Glauben „erkennen“ oder einordnen zu können, auf den Leim gehen. Die Krise hält an

Lena Schneider

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