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Kultur: „Tschechischer Tarantino“

Auftakt einer Filmreihe im Thalia-Kino mit Tschechischem Zentrum Berlin

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Wenn eine bildhübsche junge Frau bereits in der zweiten Minute eines Films von einer tonnenschweren Heiligenfigur, die aus Versehen von einem Baugerüst fällt, vollständig begraben wird, dann spricht man gerne von einer „schwarzen Komödie“. So unglücklich, wie Colin, der Ehemann der Verunglückten, neben dem Steinquader zusammensackte, startete auch die Reihe mit aktuellen tschechischen Kinofilmen, die von nun an einmal im Monat im Thalia Kino in Zusammenwirken mit dem Tschechischen Zentrum in Berlin laufen wird.

Denn der Auftaktfilm „Skapni a zastr el me/ Shut up an shoot me“ war im Grunde eine britische Filmproduktion, die aus Kostengründen in Prag gedreht wurde. Diejenigen der versprengten dreißig Besucher, die neugierig auf Filme aus dem Tschechien waren, die bei uns praktisch nie einen Verleih finden, hatten also mehrere Gründe, enttäuscht zu sein. Darüber, dass Regisseur Steen Agro nicht gekommen war, seinen Debütfilm zu kommentieren und nur einer der Produzenten, der Amerikaner Jeffrey Brown im Filmgespräch Rede und Antwort stand. Und darüber, dass im Film kaum Tschechisch, sondern hauptsächlich Englisch gesprochen wurde.

Produzent Brown gehört zu jener großen Gruppe Exilamerikaner, die ihr Glück kurz nach der Wende in Tschechien und besonders in Prag suchten. Brown kam direkt nach dem College aus den USA und blieb. „Ein wunderschönes Land mit wunderschönen Frauen, gutem Bier", fasst Brown diese Anfangszeit stellvertretend für alle Glückritter zusammen, „alles schien möglich“. Er arbeitete zunächst als Sprachlehrer und Übersetzer und begann, Werbefilme zu produzieren, wobei er auf den Regisseur Agro traf. Für beide war „Shut up and shoot me“ ihr erster großer Spielfilm. Eine Low Budget Produktion, wie Brown im Gespräch mit Christina Frankenberg vom Tschechischen Zentrum in Berlin berichtet, die in kurzen 22 Drehtagen realisiert wurde. In Tschechien wären die Produktionskosten gering und die Crews sprächen Englisch.

Der 2005 fertig gestellte Film wäre an sich auf Festivals gut angenommen worden, aber warum gerade nicht in Deutschland, wollte Brown sogar vom Thalia Publikum wissen. Vermutlich liegt das an besagtem „schwarzen Humor“, der dem Drehbuch zahlreiche makabre Todesfälle abverlangt. Colin will unbedingt seiner Verblichenen ins Jenseits folgen und trifft auf den Tschechen Pavel, der ihm dabei behilflich sein soll. Statt seiner trifft der Tod jedoch eine blonde Schönheit, die an vergifteten Knödeln verreckt, eine Alte im Wald, die vom Baum fällt und später zum Höhepunkt fast zeitgleich einen Auftragskiller, Pavels Frau und ihren Liebhaber. Eine unwirkliche Handlungskonstruktion, wegen der Agro von der Kritik den adelnden Titel „tschechischer Tarantino“ verliehen bekam.

„Shut up and shoot me“ sagt mehr über die Verhältnisse auf dem europäischen Filmmarkt aus als unbedingt über die „kinematographischen Werke" aus Tschechien, wie von Chrsitina Frankenberg angekündigt. Matthias Hassenpflug

Am 17. 4. geht es in der Reihe weiter.

Matthias Hassenpflug

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