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Kultur: Über Gott und Hartmut Engler

Wiglaf Droste sang und las in der „brandenburgischen Provinz“ – im Lindenpark

Stand:

Wiglaf Droste sang und las in der „brandenburgischen Provinz“ – im Lindenpark Schnellen Ganges kommt Wiglaf Droste auf die Bühne des Lindenparks. Er legt seine Bibliographie und seinen Laptop auf dem Tisch ab und blinzelt eine Weile ins Publikum. Sodann schlägt er in die meist abgedroschenste Kerbe der letzten Tage: Richtig! Joseph Ratzinger, Verzeihung, Benedikt XVI., bekommt in mehreren Episoden seine ganz besondere Ehrung von Droste: „Was haben Joseph Ratzinger und ich gemeinsam? Beide tragen wir gutes Schuhwerk, beide schreiben wir Bücher, und beide glauben wir nicht an Gott." Soviel dazu, danach widmet sich Droste dem Konklave. Ist es Gottes Zorn, dass der Satiriker die entsprechende Datei nicht auf dem Laptop findet? Wenn, dann nur kurzzeitig, denn bald fängt Droste an seine unter Katholiken sicher umstrittenen Vorstellungen zur Papstwahl vorzubringen. Die Reise nach Jerusalem zum Beispiel: „114 Stühle für 115 Kardinäle, und alle sausen, huschen und torkeln atemlos im Kreise, bis Zeremonienmeister Ratzinger in die Hände klatscht und ,Sitzen machen!’ ruft.“ oder sein zweiter Vorschlag: „Ein Kardinal wird auf den Boden gelegt, ein rüstiger Kollege packt seine Füße, gibt ihm - huuiii! - richtig schön Anschwung und auf wen am Ende die Kappe des schwindelig rotierten Bodenkardinals zeigt, der muss es machen!“ So kann in der ersten halben Stunde das Kirchenfeld gründlich beackert werden und für Droste ist es leicht verdientes Geld einfach die kürzlich in der TAZ erschienenen Artikel von sich vorzulesen. Danach bleibt genug Lesestoff um den Abend mit bissigen Geschichten aus seinen gesammelten Werken zu füllen. Die brandenburgische Provinz ist dabei eine der Haupt-Angriffsflächen seiner Anekdoten. Die Nachkriegsarchitektur - der Barack, die Augenkrebs erzeugenen Forsythien-Sträucher allerorten („Die Ratte unter den Pflanzen“), dazu der Umstand, dass es kein Reimwort auf Forsythie gibt. All das lässt Droste zu der vernichtenen Erkenntnis kommen: „Brandenburg existiert nur, weil irgendetwas um Berlin sein muss.“ Die Empörung im Publikum hält sich in Grenzen, der Applaus überwiegt. Mit einem Lied verabschiedet sich Droste in die Pause: „Musse pfeife inne Wind“, Bob Dylan fühlt sich sicherlich geehrt, ob dieser eigenwilligen Übersetzung seines Titels. Droste unterbricht seinen Vortrag mit einem Hinweis an die Fotografin: „Ich kann nur eine Sache gleichzeitig: Singen oder fotografiert werden.“ Nach der Pause wird wieder geblättert Ein Gedicht über Westerwelle („Die Libido von Guido: Alles was er hatte, war Krawatte“), darauf folgend ein Reim-Zyklus über die Welt der Frösche. Genüsslich streift er durch seine Bücher, sich des Umstandes bewusst, dass seine Alltagsgeschichten und detailgenauen, kritischen Beobachtungen durchweg lesens- und hörenswert sind. Esoterik, Wolf Biermann, Helmut Kohl, die Ehe – kaum ein Thema das Droste nicht irgendwann literarisch seziert hätte. So richtig warm wird das Publikum an diesem Abend nicht. Es sind eher Begeisterungswindchen, als -stürme. Mit einem Frontbericht von einem Konzert von Hartmut Engler und seinen Pur-Mannen wird das Publikum bei Laune gehalten. Das sind sichere Lacher, ein Comedy-Profi wie Droste weiß das und die Zuschauer freut es. Nach zwei Stunden wird das Publikum wieder in die „brandenburgische Provinz“ entlassen. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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