Kultur: Überfrachtet
Der X-Film „Schilf“ im Thalia-Gespräch
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Was die Rezensenten bereits dem Roman vorwarfen, könnte man nun auch in der Verfilmung monieren: Überfrachtung. Auch wenn Hauptdarsteller Mark Waschke, der am Montag zur Vorabpremiere von „Schilf“ im Thalia Kino zu Gast war, Schuld als das zentrale Thema nennt, bleibt nach dem Film doch fraglich, ob sich ein zentrales Thema überhaupt so einfach herauslesen lässt.
Es beginnt mit einer nur vom Cello unterlegten Fahrradfahrt, die stetig mehr an Tempo gewinnt. Immer wieder schnelle Beine, Asphalt, die Sonne, die durch Bäume scheint. Dann ein metallisches Surren, ein Stürzen und Stille. Nur das Drehen der Räder ist noch zu hören. Dann Schnitt, Szenenwechsel, ein Hörsaal. Es beginnt die Geschichte zweier Freunde, beide begabte Physiker, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. Während Sebastian (Mark Waschke), Physikprofessor an der Universität Jena, ambitioniert versucht, die Existenz von Paralleluniversen zu beweisen, belächelt ihn Freund Oskar, ebenfalls Professor. Doch plötzlich verschwindet Sebastians Sohn auf dem Weg ins Pfadfinderlager und die Handlung gewinnt an Dramatik.
Die Entführer melden sich und verlangen einen Mord für das Leben des Kindes. Die Handkamera umkreist den verzweifelten Vater, dessen Alltag außer Kontrolle gerät. Dann der Mord, aber kein Opfer. Stattdessen nur ein alter Mann am Tatort. Dann eine Entführung, die keine Entführung ist. Sebastian versteht nicht. Bestätigt sich hier seine Theorie der Paralleluniversen? Seine Frau Maike droht an der verwirrenden Situation zu verzweifeln. Und immer wieder taucht der alte Mann auf, der sich Schilf nennt und dessen Erklärungen Sebastian und auch die Zuschauer in ungläubiges Staunen versetzen.
Letztere sind nach der Vorführung erst einmal völlig erschlagen und wissen auf die Frage, was denn ihrer Meinung nach die Botschaft des Filmes ist, keine rechte Antwort. Mark Waschke, an den die Frage ebenfalls gestellt wird, bekennt sich als ein Freund fehlender Botschaften im Film. Er empfindet es stattdessen als Kunst, richtige Fragen richtig gut zu stellen. In diesem Falle beispielsweise die nach den Paralleluniversen, nach der Schuld, nach dem Konflikt des freien Willens, nach Formen des Zusammenlebens.
Auch die Potsdamer X-Filme-Produzentin Manuela Stehr zeigte sich begeistert von der Zusammenarbeit mit der Autorin von „Schilf“, Juli Zeh und verweist auf die zentrale Frage der Schuld. Gegenfrage: Wie definiert sich „zentral“, vor allem, wenn hier so viele existenzielle Fragen auf einmal abgehandelt werden? Andrea Schneider
Ab Donnerstag, dem 8. März, im Thalia, Rudolf-Breitscheid-Straße 10
Andrea Schneider
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