Kammerkonzert mit Klarinette im Nikolaisaal: Übermütig, aufmüpfig und sensibel
Wer Klarinettenquintett sagt, meint in der Regel das unerreichbare Werk von Mozart. Weniger die Quintette von Johannes Brahms und Max Reger.
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Wer Klarinettenquintett sagt, meint in der Regel das unerreichbare Werk von Mozart. Weniger die Quintette von Johannes Brahms und Max Reger. Das Kammerkonzert im Nikolaisaal-Foyer wartete am gestrigen Nachmittag jedoch mit Regers Klarinettenquintett A-Dur op. 146 auf. Die Aufführung galt auch als eine Hommage an den spätromantischen Komponisten, dessen 100. Todestag in diesem Jahres gedacht wird. Er gilt als eine der Schlüsselfiguren der anbrechenden Moderne: ein Künstler, der zwischen Avantgarde und Tradition stand. Vor allem seine Orgelkompositionen machten ihn bekannt, weniger das kammermusikalische Oeuvre.
Die Mitglieder der Kammerakademie Potsdam Markus Krusche, Klarinette, Meesun Hong Coleman, Violine, Jennifer Anschel, Viola, Jan-Peter Kuschel, Violoncello, sowie die Geigerin Maia Cabeza und der Pianist Thomas Hoppe als Gäste haben sich dem Klarinettenquintett Regers, der vor allem in Meiningen und Leipzig tätig war, angenommen. Das Spätwerk des Komponisten kann es mit der hohen Qualität der Klarinettenquintette Mozarts und Brahms’ durchaus aufnehmen. Es atmet in weiten Teilen eine betörende Anmut, stille Heiterkeit und manchmal eine ergreifende Melancholie. Der Komplexität der Komposition haben sich die Mitwirkenden mit großer Ernsthaftigkeit angenommen. Sie musizierten mit feiner Homogenität, vielen Nuancen, um wunderbar abgestufte Klangwirkungen zu erreichen. Die exzellente Balance zwischen den einzelnen Stimmen könnte kaum besser austariert sein als in diesem Konzert.
Die Klarinette stand insgesamt im Zentrum. Ihr Protagonist im Ensemble der Kammerakademie, Markus Krusche, versteht mit seinem temperamentvollen Spiel, kammermusikalischer Sensibilität und geschmeidigen Klarinettenton sehr für sich einzunehmen. Den Auftakt gaben er und seine Mitstreiter mit der Ouvertüre über hebräische Themen des russischen Komponisten Sergej Prokofjew. Im Jahre 1919 entstand das Werk für ein jüdisches Kammerensemble, das auch für Orchester instrumentiert wurde. Es nimmt den Zauber heutiger Klezmer-Musik vorweg. Der Klarinettist, das Streichquartett sowie der Pianist haben die Ouvertüre sehr sorgfältig gearbeitet und ausgefeilt gespielt, schwungvoll und teils emotional.
Danach schwieg die Klarinette, denn das Klavier, die Violine, Viola und das Violoncello hatten in Gustav Mahlers Quartettsatz in a-Moll allein das Sagen. Das in spätromantischer Tradition verwurzelte und von schönem thematischen Material geprägte Werk des Sechzehnjährigen fand durch das Streichtrio mit Jennifer Anschel, Jan-Peter Kuschel und dem Pianisten Thomas Hoppe eine tonschöne, intensive Wiedergabe, bei der auch das Schwärmerische zu seinem Recht kam, aber immer kontrolliert. Béla Bartoks Kontraste für Violine, Klarinette und Klavier Sz. 111 ist ein mitreißend prall farbiges Werk, ungestüm und expressiv, das ungarische Volksmusik verarbeitet und Jazz sowie Zwölftonmusik mit einbezieht. Dabei werden die Violine und die Klarinette bis an ihre technischen Grenzen geführt. Meesun Hong Coleman und Markus Krusche wussten dem Werk virtuos Ausdruck zu verleihen. Gemeinsam mit Theodor Hoppe, Klavier, schärften sie die Kontraste mal in übermütig-aufmüpfigem Ton, dann wieder als sensible Innenschau. Klaus Büstrin
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