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Einseitig? Nicht ihre Theater-Texte. Sophia Hembeck studiert Szenisches Schreiben und kommt mit einem Stück nach Potsdam.

© Privat

Wildwuchs-Festival in Potsdam: Überwachen und Lieben

Sophia Hembeck kommt mit einem Teufelsberg-Drama zum Wildwuchs-Festival nach Potsdam.

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Der eine liebt – der andere aber nicht zurück. Ist das überhaupt Liebe? Oder nur Fiktion? Ist es nutzlos? „Die Eroberung der Nutzlosigkeit“ heißt das Stück von Sophia Hembeck, das – in gekürzter Fassung – beim Wildwuchs-Festival für junge Dramatik an diesem Samstag im Hans Otto Theater zu sehen sein wird. Es ist einer von drei Texten von Studierenden der Berliner Universität der Künste (UdK), die hier mit Schauspielern des HOT und Schauspielstudenten der UdK inszeniert werden.

Hembecks Geschichte ist die von Peter und Wendy – ja, die Namen spielen an auf Peter Pan und seine Gefährtin Wendy, die für den ewigen Kindskopf ja auch immer ein bisschen die Mutterrolle übernimmt. Die junge Frau in Hembecks Stück folgt Peter nicht nach Nimmerland, sondern auf den Berliner Teufelsberg. Dort, in den Ruinen der ehemaligen Abhöranlage, will Peter ein Kunstprojekt machen. Wendy ist da, weil Peter da ist. „Sie ist verliebt. Möglicherweise auch depressiv, aber wer weiß das schon so genau“, heißt es in der kurzen Zusammenfassung des Stücks.

Geht es noch gegensätzlicher, denkt man da. Zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt liegt ja praktisch alles andere. Es geht, sagt Hembeck, vor allem um das Gefühl von einseitiger Liebe, um die Sehnsucht und die daraus folgende Projektion. Die Figur der Wendy hat schon depressive Züge, aber entscheidend ist erstmal dieses Ungleichgewicht, das entsteht, wenn einer liebt und der andere nicht. „Das Verhängnis ist hier, dass das nicht klar ist, dass Wendy glaubt, sie führten eine Beziehung, und Peter eben nicht.“ Getriggert wird der Konflikt dann auch noch dadurch, dass die beiden – fast mitten in Berlin – in dieser Abgeschiedenheit auf dem Teufelsberg abhängen. Es gibt hier kein Korrektiv von außen, niemanden, der einen der beiden darauf stoßen könnte, was hier nicht stimmt. „Sie sind im Prinzip abhängig voneinander – real, weil sie eben hier draußen sind, aber auch innerhalb ihrer Beziehung zueinander“, so Hembeck.

Peter will also dort draußen auf dem Teufelsberg den Ort erfahren, sich mit der ehemaligen Überwachungsanlage beschäftigen. Wendy ist – in seinen Augen – für das Versorgerische da, sie soll einen Garten anlegen. Die alte Rolle also, die Frauen noch immer so gerne annehmen: Sich kümmern. Ernähren. Wendy aber fängt – mehr aus Spaß – an, Peter zu überwachen, „sie imaginiert sich als Geheimagentin, protokolliert wie ein IM jeden seiner Schritte, überwacht sein Handy.“ Wie sehr das Spiel, wie sehr das Ernst ist, soll ein bisschen schwammig bleiben, sagt Hembeck. Ist eigentlich egal, es funktioniert nämlich so oder so als eine Art Macht-Ausgleich. Wendy mag sich in ihrer einseitigen Liebe zu Peter ohnmächtig fühlen – durch die Überwachung erobert sie ein Stück Autonomie zurück. Ob man das nun sympathisch findet oder nicht.

Als Opfer, als jemand, mit dem man mitleidet, hat Hembeck sie ohnehin nicht angelegt. Dazu ist sie zu sehr Feministin, sie will keine schwache Protagonistin. Es soll klar werden, woher Wendys Obsession kommt, das schon. Aber das sympathische, unschuldige Opfer? Nein, „dann würden die Zuschauer ja rausgehen und wären mit sich im Reinen. Und dann wäre vielleicht auch die Frage für manche leichter zu beantworten: Ob Peter richtig handelt oder Wendy, oder ob es in Ordnung ist, dass sie ihn kontrolliert. Klar, Peter instrumentalisiert sie. Aber eben nicht aus böser Absicht, wie es ja eigentlich nie berechnend oder böse Absicht ist, wenn in einer einseitigen Liebe der eine den anderen benutzt. Sondern eher Ignoranz. „Peter blendet eben viel aus, auf spielerische Art ist er ein bisschen abgehoben, sphärisch, ihm ist vieles gar nicht bewusst“, sagt Hembeck.

Peter ist bei ihr eher die Projektionsfläche, Wendy hat die längeren Monologe – konträr dazu, wie es – in den klassischen Stücken – sonst ist, bei Ibsen etwa. Wendy soll aber auch keine Heldin sein, keine, die mühelos Abhängigkeiten abschüttelt. Sie ist, zumindest in der realen Ebene des Stücks, ein schwacher Charakter, sie emanzipiert sich zuerst durch ihre Phantasie. „Nur weil wir uns wünschen, dass Frauen emanzipiert sind, kann ich es nicht so zeigen, solange es nicht so ist“, sagt Hembeck dazu.

Düster sieht Hembeck, 1989 geboren, die Zukunft trotzdem nicht, auch ihr Stück, sagt sie, sei eher ironisch denn düster. Das macht vielleicht auch die Übung: Seit 2014 studiert sie Szenisches Schreiben an der UdK, Theaterstücke schreibt sie aber schon seit ihrer Schulzeit. „Ich finde, das hat sowas Leichtes, Dialoge zu lesen – aber auch, sie zu schreiben.“ Weil sie sie in ihrem Kopf hört – auch wenn das ein wenig wahnsinnig klingen mag. So wird man dann aber wohl Regie-Hospitantin am Wiener Burgtheater bei Thomas Vinterberg – hat sie längst hinter sich – und nominiert für den Münchner Förderpreis – ist sie gerade mit ihrem Stück „Rene Pollesch #Twittergott.“

„Die Eroberung der Nutzlosigkeit“ ist neben „Heizdeckenland Du“ von Franziska vom Heede und „Fallobst im Westen oder Jimmy F. und der Schmelztiegel der unbegrenzten Möglichkeiten“ von Philipp Gärtner am Samstag ab 18 Uhr in der Reithalle des Hans Otto Theaters, Schiffbauergasse, zu sehen.

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