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Kultur: Udo Lindenberg und der Osten Thomas Freitags Buch über den Altrocker

Der Panikrocker im Palast der Republik – das war eigentlich unvorstellbar. Jahrelang hatte Udo Lindenberg vergeblich um einen Auftritt in der DDR gekämpft.

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Der Panikrocker im Palast der Republik – das war eigentlich unvorstellbar. Jahrelang hatte Udo Lindenberg vergeblich um einen Auftritt in der DDR gekämpft. Am 25. Oktober 1983 war es dann soweit: Der Rockstar aus dem Westen darf bei der Veranstaltung „Für den Frieden der Welt“ tatsächlich einige Songs in Ost-Berlin vortragen. Vor 4200 ausgewählten Funktionären, FDJ- und Parteikadern fordert er: „Weg mit allem Raketenschrott - in der Bundesrepublik und in der DDR.“

In Zeiten der Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen und großen Misstrauens zwischen Bonn und Ost-Berlin war Udo Lindenbergs Konzert in „Erichs Lampenladen“ schlichtweg eine Sensation. Und die Staatssicherheit schritt selbst bei seinen kritischen Zeilen gegen den Rüstungswahn nicht ein. Der lang geplante „geniale Gig“ gelang, wie Autor Thomas Freitag nacherzählt.

In seinem Buch „Udo Lindenberg und der Osten“ geht der Potsdamer Musikwissenschaftler dem Wirken des Altrockers in der Deutschen Demokratischen Republik nach. Ob „Wozu sind Kriege da?“ oder „Sonderzug nach Pankow“ - die Verdienste des Künstlers für die deutsch-deutsche Verständigung können nach Überzeugung von Freitag nicht hoch genug eingeschätzt werden: „Lindenberg vermittelte seinen westdeutschen Landsleuten, dass auch östlich der Elbe ein deutscher Staat existierte“, sagt er. Und das „mit einer Geradlinigkeit, einer Auflockerung und einem Humor“, der so frisch anders gewesen sei als das hölzerne Diplomatendeutsch der Politiker oder die schwierigen Deutungsversuche der Literaten.

„Sonderzug nach Pankow“: „Was für eine Freude, als dieses Lied zum ersten Mal unsere Ohren erreichte!“, schreibt Freitag. Von offizieller Seite wegen „Beleidigung“ von SED-Generalsekretär Erich Honecker verboten, wurde es in der DDR „unter der Hand zigfach kopiert und weitergereicht“, erinnert der Autor sich. Auch der 56-Jährige hatte damals Lindenberg-Platten zu Hause. Der DDR stand er in „kritischer Solidarität“ gegenüber, wie er sagt. Wegen offen bekundeter Sympathie zu Wolf Biermann führte die Staatssicherheit schon seit 1976 über den Musiklehrer Buch.

Der Auftritt von Udo Lindenberg im Palast der Republik sollte nur einer von vielen Schritten sein bei der „Zerbröselung“ der Berliner Mauer, für die sich der Künstler so vehement einsetzte. Zäh ging es in Etappen vorwärts, darunter jene legendäre in Wuppertal 1987: Beim BRD-Besuch von Honecker überreicht Lindenberg dem Staatsgast eine Gitarre mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“ - ein Zeitdokument deutscher Geschichte.

Zwei Jahre später, am 9. November 1989, sollte der Eiserne Vorhang dann endlich fallen. Die „Scheiß-Mauer“ ist weg, jubelt Udo Lindenberg, für den ein Lebenstraum wahr wird. Sofort nimmt der Panikrocker einen Flieger nach Berlin: „Und dann da richtig rein in den ganzen Pulk und in die ganze Freude und das ganze Hoch-die-Tassen.“ Udo Lindenberg kommen die Freudentränen, das ganze „Löcher in die Mauer singen“, schreibt Thomas Freitag, hatte sich gelohnt. Haiko Prengel

Thomas Freitag: Udo Lindenberg und der Osten, Verlag Neues Leben, 2011, 144 Seiten, 14,95 Euro

Haiko Prengel

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