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Ein Haus, zwei Konzepte. Daniela Dietsche und Werner Ruhnke vor der Charlottenstraße 122, jetzt gemeinsamer Sitz der Galerie „M“ und der Galerie Ruhnke.

© Andreas Klaer

ZUR PERSON: Um die Ecke bewegt

Werner Ruhnke und Daniela Dietsche über das Zusammengehen zweier Galerien Ich will neue Orte erschließen und dabei Phantasie entwickeln.“

Stand:

Frau Dietsche, die Produzentengalerie „M“ des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler im Luisenforum ist geschlossen worden. Wieder ein Ort zeitgenössischer Kunst in Potsdams Innenstadt weniger. Wird hier die Bildende Kunst zurückgedrängt?

Dietsche: Wir sind ja weiterhin in der Innenstadt präsent. Das Angebot an zeitgenössischer Kunst des Verbandes bleibt ebenso bestehen wie das der Galerie Ruhnke, in deren Räume wir ab 12. Juli mit zu finden sind.

Ruhnke: Es kann gar nicht genug Orte geben, wo moderne bildende Kunst in Potsdam ausgestellt wird.

Herr Ruhnke, Sie teilen nunmehr Ihre Räume in der Charlottenstraße mit der Galerie „M“, die zuvor um die Ecke ihren Standort hatte. Durch dieses Zusammengehen reduzieren Sie Ihr eigenes Angebot auf drei Ausstellungen im Jahr. Bislang waren es doppelt so viele.

Ruhnke: Es gehört zu meinem neuen Konzept, dass ich verstärkt auch an anderen Orten ausstellen und Initiativen entfalten werde. Ich will neue Orte erschließen und dabei Phantasie entwickeln. Es gibt noch genug Plätze, die nicht bespielt werden. Im August ist die Galerie Ruhnke zum Beispiel im Kunsthaus „sans titre“ zu Gast. Es gibt eine gute Kooperation zwischen den Einrichtungen für zeitgenössische Kunst in Potsdam. Klar hätte ich entscheiden können, ich behalte die Räume allein und suche mir einen Angestellten, aber das wäre zu viel ökonomisches Risiko gewesen.

Frau Dietsche, ist die Schließung der Galerie „M“ also gar kein Verlust?

Dietsche: Die Produzentengalerie „M“ ist nicht geschlossen, sie hat eine neue Adresse. Das Ziel des Verbandes ist es, dass wir unseren Standort in der Innenstadt halten und damit unseren Mitgliedern weiterhin ein Schaufenster in Potsdam bieten. Dazu mussten wir uns bewegen, und so heißt auch unsere erste Ausstellung: „Move around the Corner“. Wir sind ja wirklich nur um die Ecke gezogen. Und das, weil die Miete an unserem bisherigen Standort im Luisenforum teurer wird, wenn der Neubau für die Kaufhauskette C&A fertig ist. Diese Miete hätten wir als vom Land geförderter Verein dann nicht mehr bezahlen können. Rechtzeitig kam das Angebot von Herrn Ruhnke, ob wir nicht in seine Räume mit einziehen möchten. Die Konditionen waren so, dass wir das annehmen konnten. Und wir können auch weiterhin acht Ausstellungen im Jahr zeigen.

Aber nunmehr in einem zeitlich enger gesteckten Rahmen.

Dietsche: Die Taktung wird schneller, das stimmt. Die Ausstellungen laufen nicht mehr sechs, sondern vier Wochen. Wir werden die Galerie während neun Monaten bespielen und Herr Ruhnke drei Monate, verteilt über das Jahr.

Gib es da nicht eine Verwischung des Profils?

Dietsche: Das sehe ich so gar nicht. Wir haben keine Angst, dass sich die Profile vermischen, sie sind zu unterschiedlich. Wir als Berufsverband definieren uns nicht über bestimmte Räume, sondern über die Aufgaben, die wir für unsere 300 Mitglieder wahrnehmen. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe. Dazu gehört, dass wir Informationen und Netzwerke zur Verfügung stellen, die ART Brandenburg als Künstlerverkaufsmesse organisieren, internationalen Künstleraustausch anbieten und zudem unsere Galerie in der Innenstadt für die Verbandsmitglieder haben. Herr Ruhnke als kommerzieller Galerist muss nicht unbedingt das ganze Jahr die Galerie bespielen. Für uns ist das anders. Wir bieten ein Schaufenster für unsere Mitglieder und da wollen wir schon über einen langen Zeitraum des Jahres Präsenz zeigen.

Ruhnke: Für mich ist dieses Zusammengehen ein richtiger Glücksfall. Ich habe lange nach jemand gesucht, der mit mir kooperiert. Aber es hat sich nichts ergeben, was akzeptabel gewesen wäre. Oder das Risiko war zu groß, mit jemanden zusammenzugehen, wo das Konzept nicht stimmt. Dieses Problem besteht mit dem Berufsverband nicht. Wir kennen uns seit Jahren und sind fast freundschaftlich verbunden.

Dass Sie jetzt nur diese drei Ausstellungen in Ihrer Galerie haben, ist für Sie, Herr Ruhnke, also kein Problem?

Ruhnke: Nein. Ich kann die Interessenslage des Berufsverbandes nachvollziehen, der jetzt Hauptmieter ist. Ich mache etwa fünf, sechs Ausstellungen im Jahr, und davon hier in der Charlottenstraße eben drei. Damit kann ich leben. Es gibt genug andere Möglichkeiten, Kunst zu fördern.

Herr Ruhnke, ist dieses Zusammengehen nicht doch so etwas wie Altersteilzeit, ein langsamer Rückzug aus dem Galeristenleben?

Ruhnke: Natürlich muss man mit seinen Kräften haushalten. Es wäre fahrlässig, wenn man das nicht tun würde. Aber wenn ich die Projekte allein im Herbst aufzähle, wird unser Engagement deutlich. So bereite ich Ende Juli ein wichtiges Ateliertreffen vor, im August kommt die Ausstellung im Kunsthaus „sans titre“, im September organisiere ich eine Ausstellung im Rathaus in Frankfurt (Oder), im Oktober eine weitere in Berlin. Zudem betreibe ich eine Skulpturenausstellung am Seddiner See, die ich weiter in Schwung bringen will. Man muss einfach überlegen, wie man sich mehr um die Künstler kümmern kann, sie zum Beispiel auch an verschiedenen Orten zu präsentieren. Das hat sich sehr bewährt.

Sie sind also nicht der eigenen vier Wände müde?

Ruhnke: Nein, überhaupt nicht. Es bieten sich neue Möglichkeiten. Als ich die Anfrage aus Frankfurt (Oder) bekam, dort eine Ausstellung zu organisieren, habe ich Ja gesagt. Vorher hätte ich vielleicht Nein sagen müssen. 

Frau Dietsche, haben sich die Ausstellungsflächen für Sie verändert?

Dietsche: Sie sind ein bisschen größer und heterogener. Im Untergeschoss kommt ein Gewölbe mit Kabinettscharakter hinzu, sehr gut geeignet für Fotografie, Grafik und Kleinskulpturen. Und im Hof kann man größere Skulpturen zeigen und auch Filme an die Wand werfen.

Kann man jetzt auch mehr Künstler präsentieren, wenn mehr Räume da sind?

Dietsche: Möglicherweise. Bei uns hat es sich bewährt, dass sich Mitglieder mit einem fundierten Konzept um eine Ausstellung bewerben und eine Jury entscheidet, wer ausstellen darf.

Oft fragt man sich, wenn man eine Galerie besucht, verläuft sich hier irgendwann mal auch ein Besucher? Wie sieht es bei Ihnen aus?

Dietsche: Wir konnten vor allem steigende Besucherzahlen bei der ART Brandenburg verzeichnen. Bei der letzten Messe gab es einen richtigen Schub. Die Verkaufszahlen haben sich mehr als verdoppelt.

Ruhnke: Natürlich wünscht man sich immer noch mehr Besucher. Alles in allem kann ich mich aber nicht beklagen. Das ökonomische Ergebnis hat sich verbessert und das hängt nicht nur von Zahl der Besucher ab. Die, die kaufen, kommen möglicherweise lieber, wenn keine Öffnungszeiten sind.

Und wie wird Ihr Werbeauftritt sein? Gemeinsam?

Dietsche: Nein. Getrennt. Wir werden vielleicht größere Veranstaltungen gemeinsam organisieren, wie die Kunst-Genuss-Tour. Es ist ein Galerie-Sharing was wir betreiben, ähnlich einer Bürogemeinschaft.

Wird sich in Ihrer täglichen Arbeit nichts ändern?

Dietsche: Ich glaube nicht. Aber erst mal müssen wir die Räume in Besitz nehmen und ausprobieren, wie sich was am besten präsentieren lässt. Und wir sind natürlich auch sehr gespannt, was sich an Synergieeffekten entwickeln wird.

Herr Ruhnke, Sie gehörten zu den Befürwortern der Kunsthalle in Potsdams Mitte und sprachen vom Aufwind für die zeitgenössische Bildende Kunst. Verändert sich das durch den Rückzug von Hasso Plattner an den Rand der Stadt?

Ruhnke: Mehr moderne Kunst ist für Potsdam immer gut. Natürlich wäre eine Präsentation in einer öffentlichen Kunsthalle im Zentrum attraktiver.

Das Gespräch führte Heidi Jäger

Die erste Ausstellung des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler in den neuen Räumen, Charlottenstraße 122, ist ab 12. Juli zu sehen

Daniela Dietsche,

geboren 1969

in Münstertal (Schwarzwald), studierte

Kunstgeschichte in

Berlin und Rom.

Danach war sie sieben Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der

Stiftung Preußischer

Kulturbesitz in Berlin. Seit 2002 ist sie

Geschäftsführerin des Brandenburgischen

Verbandes Bildender Künstler (BVBK).

Werner Ruhnke, 1947 bei Erfurt geboren, war bis 2006 bei der

Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Dort organisierte er ständig

Kunst-Ausstellungen im

Gewerkschaftshaus. Seit 2004 ist er

Galerist in Potsdam.

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