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Kultur: Umerziehung in chinesischen Straflagern Harry Wus „Donner der Nacht“ in der arche

„Revolution ist Aufstand, ist ein Gewaltakt“, verkündete Mao Tse Tung einst in der nach ihm benannten Bibel, kein Spaziergang für flanierende Dämchen, nichts für verschwärmte Intellektuellen-Hirne von der Universität. Als Mao 1949 ernst machte mit seiner strengen Zucht gegen alle Andersdenkenden, gegen die von Brecht als „Tuis“ benannten Intellektuellen, gegen alles, was Grund und Boden hatte, Fabriken oder Wertpapier, gegen „Bourgeoisie und Großgrundbesitz“, blieb in China kein Stein mehr auf dem anderen, keine Familie verschont.

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„Revolution ist Aufstand, ist ein Gewaltakt“, verkündete Mao Tse Tung einst in der nach ihm benannten Bibel, kein Spaziergang für flanierende Dämchen, nichts für verschwärmte Intellektuellen-Hirne von der Universität. Als Mao 1949 ernst machte mit seiner strengen Zucht gegen alle Andersdenkenden, gegen die von Brecht als „Tuis“ benannten Intellektuellen, gegen alles, was Grund und Boden hatte, Fabriken oder Wertpapier, gegen „Bourgeoisie und Großgrundbesitz“, blieb in China kein Stein mehr auf dem anderen, keine Familie verschont. Denn Revolution stellt immer nur die eine, unerbittlich dialektische Frage an jeden: Für oder gegen mich?! Sie kennt keine Versöhnung, nur Ja oder Nein, nur Freunde und Feinde.

Harry Wu, 1937 geborener Chinese und Katholik aus Shanghai, sollte das bald zu spüren bekommen. In gut bürgerliche Verhältnisse hineingeboren – der Vater war Bankkaufmann, die Mutter kam aus einer Familie mit viel Grundbesitz – erlebte er die kommmunistische Revolution zuerst an seiner katholischen Schule: Lehrfächer wie „Darwinistische Evolution“ und „Marxismus-Leninismus“ wurden eingeführt, immer mehr Lehrer und Schüler verließen den Glauben. Schon an der Uni in Peking, wurde er 1957 als „konterrevolutionärer Rechtsabweichler“ verhaftet, geriet dann in das System von Umerziehungs- und Arbeitslagern, die man mithilfe der Sowjets errichtet hatte. Er hatte einfach gefragt, wie der Einmarsch der Sowjets in Ungarn ein Jahr zuvor mit dem Völkerrecht zusammenkäme. Wie es ihn in den 19 Jahren Gefangenschaft erging, erzählt er in seinem Buch „Donner der Nacht“, das voriges Jahr auf der Frankfurter Buchmesse etwas Furore machte. Am Mittwoch präsentierte Wus Übersetzerin Katrin Krips-Schmidt diesen Erlebnisbericht in der „arche“.

Teils berichtet, teils als Lesung trug sie dann vor, was an Zwang und Elend in „Donner der Nacht“ erschreckt. Wus Einzelhaft in einer Betonzelle von einem Meter Höhe, die Kulturrevolution um 1966, eine Gefangenenrevolte, die mit dem Lynchen der Revoltierenden endete. Harry Wu kam 1979 frei, er konnte, vor seiner Ausreise gen USA 1985, sogar wieder in seinem Beruf als Geologe arbeiten. Neunzehn Jahre „permanenter Revolution“, das waren neunzehn lange, harte Lebensjahre. Trotzdem kehrte er mehrmals nach China zurück, um diese Lager inkognito zu fotografieren, teils sogar von innen. Man nahm ihn wieder fest, eine internationale Kampagne befreite ihn bald wieder. Vor zwei Jahren gründete er in Washington ein Museum, das besonders an die Gegenwart dieser „Laogei“-Lager in China erinnern will. Schade nur, dass an diesem Abend nicht auch die „innere Biographie“ Wus dargestellt wurde. Denn am Ende seines Lebens hat er zum katholischen Glauben zurückgefunden – trotz oder dank der Revolution. Gerold Paul

Harry Wu: Donner der Nacht. Mein Leben in chinesischen Straflagern, Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2009, gebunden, 352 Seiten, 19,90 Euro

Gerold Paul

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