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Kultur: Unbehagen am Herrn Zorn

Luftblasen-Theater mit dem Poetenpack in der fabrik

Stand:

Luftblasen-Theater mit dem Poetenpack in der fabrik Von Gerold Paul Nanu, was war denn das am Samstagabend? Anti-Theater, Zuschauerverulkung, Experiment, Aufhebung aller Bühnengesetze? Ja, so war es. Irgendwann lief „Poetenpack“, einer freien Theatergruppe, „Mars", das Buch eines krebskranken „Millionärssöhnchen“ alias Fritz Zorn, helvetische Herkunft, über die Rampe, worin er offenbar (oder vermutlich) Rache nimmt an der Welt für sein todbringendes Leiden. Der involvierte Schauspieler Andreas Hueck setzte sich vehement für das Buch ein, Autor Wilfried Happel schmolz es in freiester Bearbeitung höchst fasziniert und engagiert in eine nicht minder unfriedliche Spielvorlage um. „Geliebter Mars“, von Andreas Büettner mit avantgardistischem Eifer in Szene gesetzt, erlebte in der „fabrik“ mit leicht gedämpftem Beifall seine Uraufführung. Was war denn anderes von einer Inszenierung zu erwarten, die vieles im Power-Pack zeigte, um am Ende alles zurückzunehmen, als sei nichts gewesen? Türen zu und dann den „Löwen“ rausgelassen, der ein Krebs sein soll? Die dem Publikum kein Leid ersparen wollte und vor lauter Eifer selbst zum Rohrkrepierer wurde, weil sie ihm die ganze Rezeption stahl: Was man denken sollte, zeigte die Bühne über 70 Minuten selbst, pur, zynisch, brutal. Happel hatte kein Unbehagen an der nagenden Krankheit, sondern an den „Absonderungen“ eines Autors, dessen hilfloses Geschrei nie ganz ernst genommen wurde – Unbehagen am Herrn Zorn. Helfen da clowneske Mittel „in Zivil“, das heißt, unvollkommene Verwandlungen des vierköpfigen Ensembles, welches so verbissen darauf beharrt, es selbst zu bleiben? Dann sollte man wohl von der Bühne lassen. Wozu die ganze Komödie? Schweißtreibende Szenenfolgen, anfangs in Gestalt zweier Marsmenschen mit hübschen theatralischen Ansätzen, der Rest diente zum kritischen Beweis, das Kaviar und Schampus erbrechende Millionärskind habe eben nur Käse geschrieben. Man muss sich ja auf die Bühne verlassen, wer kennt schon das Original? Ein anstrengendes Geschäft: Vier Darsteller auf fast bloßer Bühne ohne echte Rollen (Angelika Hofstetter, Johannes Bergel, Andreas Hueck, Lars Wild), nehmen sich Texte oder Szenen aus dem Buch, um sie (teils mehrsprachig) zu rezitieren, vielfach wiederzukäuen, zu kommentieren, sie nachzuspielen (z.B. der Part mit der Psychologin), um dann festzustellen: Alles Käse. Einzig ein kleines Plastik-Haus mit der Aufschrift PORT FOLIO auf einem Schnipselhaufen von Papier, mal lose Seiten aus dem (am Schluss verschwundenen Original), mal der Berg vom Geld, markierten den Spielraum. Was dargestellt wurde, schien technisch sauber eingerichtet, doch ohne jede Wirkung. Der Stil war episch, die Ästhetik, trotz behaupteten „neuen Theateransatzes“, Jahrzehnte alt. Viel Sex und etwas Crime, Firmennamen, Banken, ein Lob des Kapitalismus als Brecht''scher Umkehrschluss, alles ziemlich böse gehalten, als könne im Parkett so Gutes wachsen. Zahlreiche gute Breaks als V-Effekte sorgten für unerwartete Wendungen eines Geschicks, welches letztlich niemanden interessierte, warum auch, die Truppe nahm sich wichtiger als ihren Stoff, der Zuschauer war früh entwaffnet - keine Chance auf Rezeption. Solcher Ansatz taugt zu nichts, man hatte wohl eine „Zielgruppen-Inszenierung“ für junge Dränger und Stürmer vor sich, kopflastig überall, doch ohne „intellektuelle Komik“. Die Darstellungen blieben trotz großer Spielintensität durchweg äußerlich, es gab weder Handlung noch einen durchgehenden Auftrag, am wenigsten für den Jüngsten der Bühne, den Harlekin, und wenn am Schluss alles zurückgenommen wird, dann hatte das Poetenpack möglicherweise nach Lehrstück-Art ihren Gewinn, nicht aber ihr zahlendes Publikum. Man hatte die rufende, böse und bangende Hülle des krebskranken Autors also gut avantgardistisch umgestülpt, nach außen gekehrt, was Untertext wäre nach dem Bühnengesetz; dies duldet weder Beweisführungen noch Sinnentleerung, Ordnung wird dafür gefordert. Um Krebs, als das Wüten des Mars, ging es gar nicht. So litt man nicht an dem Herrn Zorn, sondern an einer Inszenierung, welche den Zuschauer bewusst ins Leere laufen ließ, wo es demonstrativ um Nichts ging, es sei, um den Tod von Theater. Das kann man tun, doch bleibe dann alles Publikum draußen bei so einem Schwertstreich über 90 Minuten. Diffuses Dasein, darin man ungut den Husten im Parkett nachäffte, ohne den „Kinski-Effekt“. Zoten und Gesten machen längst keinen Stil. Die Truppe sagte es selbst: Alles nur Luftblasen! Daraus hätte sie, mit einem Blick zurück und einen auf ihren Namen, wohl Besseres machen können

Gerold Paul

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