Kultur: Unbekannte Werke selten gesehener Meister
Arbeiten von 15 Künstlern nach Balzac-Erzählung im Kunsthaus
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Arbeiten von 15 Künstlern nach Balzac-Erzählung im Kunsthaus Von Götz J. Pfeiffer Frenhofer. Der nicht mit einem einzigen Werk in der Kunstgeschichte vertretene Maler ist einer ihrer wichtigsten Vertreter. Frenhofer. Honoré de Balzac hat im „Unbekannten Meisterwerk“, einer seiner wohl besten Erzählungen, dem Maler und allen Künstlern ein Denkmal gesetzt, indem er den fiktiven Meister zum Inbegriff des Schöpferischen und der künstlerischen Obsession überhaupt stilisierte. Diese Inkunabel kunsttheoretischer Diskussionen hat sich eine Ausstellung im Kunsthaus Potsdam auf die Fahne geschrieben. Renommierte Künstler hätten ihre nun gezeigten Werke auf der inhaltlichen Grundlage der Balzac“schen Erzählung entwickelt, verspricht man. Präsentiert wird die Ausstellung vom Rotary Club Potsdam. Eröffnet wird sie morgen um 16 Uhr. Das Konzept hat Stefan Pietryga, selbst Rotary-Mitglied und Kurator der Ausstellung, nicht ganz so eng gesehen. Das ist der Schau durchaus gut bekommen. Der gebürtige Westfale, der seit einigen Jahren auf Hermannswerder ein Atelier unterhält, hat seine Kontakte in die westdeutsche und internationale Kunstszene spielen lassen. Unter den 15 Ausstellungsteilnehmern, von denen er je eine bis drei Arbeiten zeigen kann, sind so klangvolle und wichtige Namen wie Hans Hartung und Arnulf Rainer, Antonio Calderara und Shugang Wang vertreten. Aber ob Pietryga sich wohl dachte, dass man in Potsdam die ostdeutschen Künstler schon kenne? Oder ob bei ihnen keine meisterlichen Werke zu entdecken sind? Aber dies ist nur ein kleiner Tropfen Wermut in der sehenswerten Schau. Unmittelbar muss man bei der „Überzeichnung“ von Arnulf Rainer an Frenhofers Manier denken, das zuerst Gemalte mit zahllosen Farbschichten zu überlagern. Beim postmodernen Meister der Übermalungen ist di Zeichenszenerie noch sichtbar. An die Malweise des balzacíschen Meisters erinnert auch die „Serie 2 (Das unbekannte Meisterwerk)“ des Berliners Detlef Waschkau, in dessen gefelderten Holztafeln mit Mühe Ahnungen einer Figur zu erkennen sind. Verwandt sind ihnen die drei Acrylbilder „Cross/Colour/Cloud“ von Jürgen Pass, vor denen sich trefflich darüber räsonnieren lässt, warum wohl Aluminium als Maluntergrund dienen musste. Frenhofer hätte die Antwort sofort gewusst. Zweifelnd wird man sich fragen, warum Michael Bach, Meisterschüler Gerhard Richters, mit drei querformatigen Architekturbildern, mal Hagia Sophia, mal Münchner Olympiastadion, vertreten ist. Er hat sich ausschließlich diesen Motiven verschrieben. Ähnlich dürfte die Aufnahme von Hans Hartungs Lithografien „L 04A-1974“ und „L -19-1976“ begründet sein. Als konzeptionell seltsames Einsprengsel erscheint auch die schöne Kleinbronze von Shugang Wang. Sein mönchisch gekleideter Asiate mit Besen in der Hand wirkt altertümlich, ist im motivlichen wie figuralen Zugriff aber ausgesprochen frisch. Der verlangte Preis kann nur billig genannt werden und kommt wie ein Teil aller Verkaufserlöse dem hiesigen Kindernothilfeprojekt „Fluchtpunkt“ zugute. Der Verfremdung hat sich der Franzose Damian Aspe mit seinen „Digital Paintings“ verschrieben, die Bilder anderer Künstler in den heute allgegenwärtigen Code von 0 und 1 auf schwarzem Grund auflösen. Dieser Eindeutigkeit genau entgegen gesetzt fordert die Sichtweise der „Graphic Paintings“ von Dimitry Orlac. Zwei kleine Tafeln sind mit unzähligen und nicht mehr zu unterscheidenden Linien des Graphitstiftes vollständig bedeckt. Nur wenn sich das Auge auf die minimalen Nuancen einlässt, sieht es Strukturen. Die dritte Tafel Orlacs, mit den übereinandergeschriebenen Zeilen der ganzen Erzählung Balzacs übersät, wirkt wie ein luftiges Gewebe, das von Zeile zu Zeile zu atmen scheint. Von Franz Gertsch sind zwei große Holzschnitte „Gräser (Detail V + VI)“ zu sehen, die in pointillistischer Sicht die Pflanzen in einem leisen Flirren der Bildoberflächen auflösen. Jahrzehnte zurück führen Mario Nigros „o.T. (Totaler Raum)“ von 1961, Antonio Calderaras „Attrazione cinmatica rettangolare“ von 1962 und auch die titellose Kleinskulptur Ernst Hermanns. Und in den 60er Jahren begann auch der Pole Roman Opalka sein andauerndes Work-in-Progress-Projekt „1-unendlich“, für das er sich fortlaufend täglich selbst fotografiert, Stillstand und Bewegung gegeneinander ausspielt. Die an Balzacs Text am dichtesten orientierten Arbeiten sind zugleich die interessantesten. Der Berliner Claude Wall, der häufig konzeptuell arbeitet, simuliert auf zwei Leinwänden Kunst. Auf einer formt sich zwischen zwei Gesichtsprofilen, im Negativ auch als Vase zu lesen, eine Frauengestalt aus der halbdurchlässigen Schicht Holzleim. Dieser lässt auf dem anderen Bild einen Frauenakt durchschimmern. Sollte hier das eigentlich von Frenhofer gemalte Meisterwerk auf wunderbare Weise sichtbar sein, weil man das Bild von rückwärts sieht? Um eine Ikonie abendländischer Kunst kreist die eindrucksvolle Installation „Malevitsch“ des Italieners Corrado Bonomi. Auf den Fotos von Aufbahrung, Trauerzug und in dessen miniaturhafter Nachbildung im ebenfalls nachgebauten Sarg des Malers begegnet immer wieder das Bild „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“, in dem wie in Frenhofers Vision alle Kunst in einem Werk zusammengeschmolzen ist. Ohne es zu wollen, gibt die Ausstellung auch bedenkenswerte kulturpolitische Anstöße. So wie das Kunsthaus Potsdam könnte – und sollte – eine städtische Kunsthalle wichtige künstlerische Arbeiten zum allgemeinen Nutzen in der brandenburgischen Landeshauptstadt versammeln. Noch bleibt es Privatinitiativen wie dieser aus den Reihen des Rotary Clubs überlassen, der Kultur und Kunst ausdrücklich für unterstützenswert hält und eine Vielzahl von Projekten in der Stadt fördert. Mit gutem Beispiel gehen ortsansässige Bürger voran. Können Kommune und Land sich da verschließen? Es kann nicht in ihrem Interesse liegen, dass man von Potsdam sagen muss: Meisterwerke? Die sind dort unbekannt. Bis 18. April im Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9. Mi-Fr 15-18 Uhr, Sa-So 11-18 Uhr.
Götz J. Pfeiffer
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