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Kultur: Unberührtes und Zerstörtes

„Landschaft und Gärten“ prägen das Kulturland Brandenburg 2004 /Rund 50 Projekte durchziehen das Jahr

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„Landschaft und Gärten“ prägen das Kulturland Brandenburg 2004 /Rund 50 Projekte durchziehen das Jahr Blühende Rapsfelder leuchten neben dunklen Mondlandschaften, träumerische Gärten umschmiegen verfallene Schlösser, dichte Kiefernwälder säumen verwaiste Stallungen. Das in diesem Jahr vom Verein Kulturland Brandenburg e.V. ausgerufene Jahr der „Landschaft und Gärten“ sieht sich nicht nur als lieblich-harmlose Hommage auf das üppige Grün des Landes. Kuratorin Dr. Petra Kabus verwies auf der gestrigen Auftakt-Pressekonferenz, dass die Landschaft als Lebensraum des Menschen ihm bestimmte Zwänge auferlege, so wie auch der Mensch die Landschaft präge und mitunter zerstöre. So werde sich das mit über 50 Projekten reich gespickte Kulturland 2004 sehr wohl auch gegenwartsrelevanten Themen, wie der Zersiedelung der Landschaft, dem Ausbluten und Umbau von Städten oder der Rekultivierung von Industriebrachen zuwenden. Das Forster Tuch Ein besonderer regionaler Schwerpunkt sei die Lausitz, wo beispielsweise die IBA zeige, dass Industriedenkmale nicht nur hässlich, sondern auch Anziehungspunkt für Touristen und damit auch Arbeitsplatzgarant sein können, wie die Förderbrücke F 60 beweise, so die Kuratorin. Als eine sinnträchtige Idee wurde das „Forster Tuch“ der Projektgruppe Spacewalk vorgestellt. Die Lausitzer Stadt an der Grenze zu Polen zählt heute nur noch 23000 von ehemals 40 000 Einwohnern. Die Textilindustrie ist tot, die Stadt von Arbeits- und Perspektivlosigkeit gezeichnet. Neben Wohnungsleerstand, Ausländerfeindlichkeit und erschreckenden Drogenkonsum unter Jugendlichen gäbe es große städtebauliche Defizite, so der Spacewalker Markus Kissling. Derzeit werde mitten in der Stadt ein riesiger Gebäudekomplex abgerissen. „Was soll aus dieser Brache werden?“, fragte sich das international tätige Netzwerk aus Künstlern, Wissenschaftlern und Pädagogen. Geboren wurde die Idee des Forster Tuches - bunt zusammengesetzt aus Tausenden von Einzelstücken in verschiedenen Farben und Mustern, Botschaften und Zeichnungen. „Nicht Künstler, sondern die Forster selbst nehmen dafür die Fäden auf und weben gemeinsam patchworkartig ihr Forster Tuch“, so Kissling. An die 400 Einwohner hätten sich bereits von dieser symbolträchtigen Idee begeistern lassen und malten ihre Visionen. Der „vergessenen Orte“ nahm sich das Museum Schloss Lübben an und entdeckte die Winzerei in der Niederlausitz wieder. Fast 400 Weinberge mit ihrer typischen Terrassierung brachten 700 Jahre lang dicht am „Polarkreis“ das nach Sonne schmachtende Kehlengold hervor. Zwar gibt es heute nur noch das rankende Gewächs an Ställen und Wohnhäusern, dennoch soll eine Ausstellung ab Juni dem Geist des Weines frönen. Schön und nützlich Auch die Potsdamer ließen sich von „Landschaft und Gärten“ inspirieren. So wird es im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gleich zwei Ausstellungen zu diesem Thema geben: „Schön und nützlich“ zeigt ab Mai, was Brandenburgs Kloster-, Schloss- und Küchengärten an wundersamen Heilkräutern und Zierpflanzen hervor zauberten. Das Kunstarchiv Beeskow stöberte in seinen Regalen, um herauszufinden, was die bildenden Künstler aus DDR-Zeiten zum Thema Landschaft zu sagen hatten. „Zwischen Himmel und Erde“ heißt diese im September startende Rückschau. Preußisch Grün In dem Kanon der „Landschafts-Bearbeiter“ darf natürlich die Preußische Schlösser- und Gartenstiftung nicht fehlen. Sie zeichnet ab Juli in „Preußisch Grün“ den Weg vom Königlichen Hofgärtner zum Gartendenkmalpfleger nach und lässt dabei die tiefen Wunden durch den Mauerbau und die mühsame Heilung nach deren Fall besonders augenscheinlich werden. Das im einstigen Mauerschatten liegende Schloss Glienicke dürfte dafür als Ausstellungsort bestens geeignet sein. Gewohnt schräg gibt sich der Offene Kunstverein, der sich mit der Theaterinszenierung „Der Mörder ist immer der Gärtner“ ins sommerliche Pflanzenreich hinein begibt. Auch die Kunstschule zieht mit am jugendlichen Strang und bietet in internationaler Sichtung „Die Gartenlaube“ als „ Refugium im weiten Feld“. Lohnen dürften auch ein Ausflug nach Neuruppin. Dort werden ab April die Wall- und Grabenanlagen bespielt und zeigen sich – mit Schautafeln aufgepeppt – als „Der grüne Mantel der Städte“. Altlandsberg, Luckau, Treuenbrietzen und Wittstock stimmen mit ein und warten ebenfalls mit kleinen Ausstellungen auf ihren Stadtbefestigungen auf. Ideengeber dieses Projekts ist die Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“, der 29 Mitgliedsstädte angehören. Kulturministerin Prof. Johanna Wanka betonte gegenüber der Presse, dass durch die Kulturland 2004-Kampagne nicht nur verlorene Orte bewusst gemacht, sondern auch Ansätze geschaffen werden könnten, diese zu retten. Beispiel sei die einstige Glashütte Annenwalde, die im wieder hergerichteten und gestalteten Gutspark in dem uckermärkischen Dorf mit einer Kunstausstellung ab Juni bedacht wird. Die Ministerin verwies auf die zunehmende Resonanz des Kulturland-Labels im Flächenland Brandenburg. Immerhin hätten 219 000 Gäste im vergangenen Jahr die „Europa“-Veranstaltungen besucht. Erneut werde ihr Ministerium mit 600 000 Euro den synergiereichen Verein befördern. Die selbe Summe täte der Bund hinzu. Insgesamt liegt der Etat bei etwa drei Mio Euro, wobei der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband ein stetiger und kräftiger Mitfinanzier ist. Begleitender Bildband Wer nicht durch die Lande reisen und vor Ort in das Spannungsfeld zwischen Kultur, Landschaft und Gesellschaft eintauchen kann, dem bleibt der Blick in den begleitenden Bildband, der allerdings noch in Arbeit ist. Aber das Grün in Brandenburgs üppiger Natur ist ja auch erst im Werden. H. Jäger Potsdamer Auftakt zum Jahr der „Parks und Gärten“ (der Titel differiert zu dem vom Kulturland) ist am 19. März im Nikolaisaal.)

H. Jäger

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