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Kultur: Unbewegliche Humorwelt

Das Kabarett Obelisk verspricht zum Sommerprogramm in seinem Hofgarten „Kaiserwetter für alle!“

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Der erste Schritt zur Besserung ist Selbsterkenntnis. „Ostsucht“ nennt Helmuth Fensch seine Neigung, er selbst pflege ein „Traditionskabinett“ in dem er beispielsweise einen Büchsenöffner „Felix Dscherschinski“ sammele. Wer weiß, wie dieser Gag in einem Haus mit anderer Tradition wirken würde. Im Kabarett Obelisk, das den Übergang vom sozialistischen in den marktwirtschaftlichen Humor Dank großzügiger Subventionierung beider Systeme gut bewältigen konnte, scheint an Fenschs gespieltem Geständnis mehr Wahres dran zu sein.

Das bemühte Witzmuster, eine nostalgische Seite der DDR-Historie anzuschlagen, und sich vermeintlich qua Humor davon zu distanzieren, ist im so genannten Sommerprogramm häufig zu beobachten. Das Programm hatte am Samstag Premiere. Nur die engsten Freunde des Hauses fanden den Weg in die Charlottenstraße. Es lag nur zum Teil daran, dass ganz offensichtlich die Forderung von den Kabarettisten Andreas Zieger, Helmuth Fensch und Gretel Schulze – „Kaiserwetter für alle!“ – von höheren Mächten völlig ignoriert wurde. Zu Anfang goss es in Strömen, erst in der Pause wurde die Holzbühne im Garten bemüht. Auch das „kleine Finale“ der WM dezimierte die Premierenschar auf unter fünfzig Gäste.

Ein Gefühl beschlich den Zuschauer, dass eigentlich das Obelisk sein Programm in all den Jahren in der großen Richtung nicht verändern musste. Ob vor oder nach der Wende, der Feind hieß und heißt immer Amerika und Kapitalismus. Gegen diesen wird schwerfällig losgekalauert.

Weil Wettermeldungen eine „rein amerikanische Erfindung sind“, wird geschlussfolgert, beginne also die „mediale Verblödung mit dem Wetterbericht.“ Hier herrscht wirklich noch der Glaube, Kabarett mache aus den Besuchern die besseren Menschen. Was unendlich traurig macht, ist der Eindruck, hier würden – jetzt heimlich, früher offizieller – seit dreißig Jahren dieselben Vorlagen aus dem dicken Humorordner „Dienstvorschrift politisches Kabarett“ verwendet, und nur je nach Sachlage die Namen geändert.

Das gilt allerdings nicht für die abstruse Nummer über Herrn Zieger, der als Speerwerfer eine Schnapsbrennerei vor dem Zugriff durch Kapitalisten schützte. Die Geschichte muss man jetzt auch nicht verstehen. Wichtig ist hier nur, dass Zieger, so wird erzählt, mit seinem Speer auf Josef Ackermann zielte und der Banker nur durch seine goldene Kreditkarte in der Brusttasche überlebte. Auch wirrer Klamauk könnte lustig sein. Hier aber nicht. Der nachgeschobene Reim, „Früher oder später wird jeder zum Attentäter“ ist vermutlich ein Lenin-Zitat. Diese laue Episode wäre in der im Obelisken unterschwellig immer betrauerten DDR sicher schallend belacht worden.

Die Kabarettisten glauben ernstlich, sobald sie nur „Münte“ sagen und ein wenig grimassierten, führe das erstens automatisch zu einem schweren Lachanfall im Publikum, schließlich legt man sich hier mit „ganz oben“ an, und zweitens erfolge sofort eine Welle der ungebrochenen Solidarisierung mit den Arbeitslosen. So hat doch Kabarett schon immer funktioniert. Agitation und Solidarität mit den Schwachen. So geht es über Glauben, Zitat Fensch: „Hohe Mieten sind immer Ausdruck von Gottlosigkeit.

Und ziemlich platt, aber sehr bezeichnend antitolerant, Zitat Fensch „Beckham ist ein Schimpfwort für Rasenschwuchtel.“ Oder mit der Angst des klaren Globalisierungsverlierers Obelisk: „Wir holen uns den Strom von den Chinesen.“ Die Pointe: „Aha, Yellow Strom.“ Oder: „In Phnom Penh, geht die Kunde, sagt man zu Broiler Hunde.“

So einfältig ist selbst die Welt des Kabaretts schon lange nicht mehr.

Zieger darf auch einmal über die „physische Vernichtung eines Vertreters der herrschenden Klasse“ räsonieren. Die bedeute genauso viel wie die Wahl eines Vertreters der herrschenden Klasse. Der Wortlaut ist dem Publikum vertraut. Peinlich nur, dass man sich nicht irgendwo im Dschungel bei revolutionären Freiheitskämpfern aufhält, denen man ja eher solches Getöse nachsehen könnte, sondern beim Bier im Garten des Obelisken. Einer sehr bürgerlichen, weil gesättigten und leider offensichtlich unbeweglichen Humorwelt.

„Es ist ein winziger Schritt vom Sieger der Geschichte zum Verlierer der Geschichte“, heißt eine Zeile des Programms. Diesen Schritt ist das Kabarett auf jeden Fall gegangen, auch wenn das so bestimmt nicht gemeint war.

Matthias Hassenpflug

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