Kultur: Und das Feuer brennt weiter
Die Popsplits von Radio 1 live auf dem Theaterschiff: ein Familienfest der fröhlichen Art
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Was tun, wenn der zündende Einfall für einen neuen Song ausbleibt? Am Besten warten, bis das Leben ihn von selbst in die Feder treibt. Die sich hinter manch“ großem Hit verbergende Entstehungsgeschichte schöpft jedenfalls oft aus kuriosen oder überwältigenden Momenten, in die Musiker unerwartet hineinschlittern.
Wie Deep Purple, die während eines Rockfestivals in Montreux ein Casino besuchen. Plötzlich geht ein Feuerwerkskörper in die Luft und steckt alles in Brand. Nicht nur Deep Purple nehmen die Beine in die Hand. Doch sie machen ihren Schrecken vor den meterhohen Flammen am Genfer See produktiv und schreiben später ihren Paniksong „Smoke on the Water“. Wer Radio1-Hörer ist, wird sicher die Legenden umstrickten „Geburtshelfer“ diverser Songs bereits kennen. Denn Michael Pan gibt sie dort seit vier Jahren in spannungsgeladenen Versionen zum Besten. Seine Popsplits sind Kult.
Freitag war nun auch der Mann hinter der Stimme zu erleben: live auf dem gut gefüllten Theaterschiff. Ganze Familien folgten dem Lockruf des kauzig-fröhlichen Entertainers, der über seine Lesebrille wie der gute Märchenonkel lugt. Doch Pan ist ein Graukopf der wilden Sorte, der zeigt, dass sich auch kurzes Haar kräftig schütteln lässt. Und die sich dicht vor der Bühne drängenden Zuschauer tun es ihm gleich: der gerade flügge gewordene Sohnemann reißt bei zeitlosen Klassikern wie „Born to be wild“ oder „Light my fire“ die Arme ebenso in die Höhe wie der jung gebliebene Papa.
Während im Radio selbstverständlich die originale Musik zu den Geschichten eingespielt wird, muss live schon naturgemäß auf Doors oder Nirvana verzichtet werden. Eine gute Coverband gilt es zu rekrutieren, die einen weiten Bogen durch die bunte Rockerwelt schlagen kann. In Roccopyrats findet Michael Pan eine der besten Sorte. Sonst in anderen Bands zu Hause – wie Bassist Alexander Prokopp bei Stern Combo Meißen oder das Potsdamer Gitarrennachwuchs-Talent Daniel „Pike“ Piechotka bei Maggies Farm – ist diese lose Formation dennoch von festem Zuschnitt.
Wirkt anfangs die Musik noch etwas wie eine Illustration der Geschichten, ist spätestens bei Led Zeppelins „Whole lotta love“ alle Bravheit vergessen. Drummer Frank saust wie der Wirbelwind mit seinen Sticks auf die Becken nieder, die Gitarristen Pike und André geben ihrem Affen mächtig Zucker und auch der fast dämonisch wirkende, charismatische Sänger Tilo Nathan weiß in hohen und tiefen Lagen beseelt Emotionen zu schüren.
Die Musiker lassen sich nicht von ihren großen Vorbildern den Atem einschnüren. Selbstbewusst finden sie neue Zuschnitte für alte Gewänder. Selbst mit einem Hauch Spanisch warten sie auf: „Wicked Game“ – O “le!
Kraftvoll-energetisch bringt das spielfreudige Team, das jedem Einzelnen seinen virtuosen Part zugesteht, auch „Every breath you take“ von The Police auf die Bühne. Und vor dem aufhellenden Hintergrund, dass der Sänger Sting dieses Lied im Trauerflor um seine verflossene große Liebe geschrieben hat, bekommt es einen noch tiefergehenden Klang. „Wenn sich heute Tausende Paare zu dem Song das Ja-Wort geben, wissen die wenigsten um die dahinter steckende, abgründige stalkerhafte Liebe Stings zu seiner ihm davon gelaufenen Francis“, klärt Michael Pan auf. Und dass er mehr als nur der pointiert erzählende Schauspieler ist, beweist er schließlich mit seinem kehlig-warmen Gesang zu Citys großem Hit „Am Fenster“ – vom ersten Tonträger der DDR, der im Ausland vergoldet wurde.
Musiker und Publikum verschmelzen zunehmend zu einer gemeinsam feiernden Masse, die die Planken tüchtig in Schwingung bringt. Und vielleicht bald wieder zum Familienfest vereint ist: Spätestens am 4. April, wenn die nächsten Popsplits Geschichten bereit halten, die das Leben zur Musik machen.
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