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Von Heidi Jäger: Und noch viel mehr

„Frühlingsrollen“ in der fabrik: Für Frauen in der zweiten Lebenshälfte und für alle, die Neues wagen

Stand:

Wann beginnt eigentlich die zweite Lebenshälfte? Darüber dürften derzeit all jene nachdenken, die sich für das Tanz- und Bühnenprojekt „Und noch viel mehr!“ für Frauen in der zweiten Lebenshälfte interessieren. „Wir haben Anmeldungen von einer 38-Jährigen ebenso wie von einer 60-Jährigen“, sagt die Tänzerin Sabine Chwalisz, die diesen Workshop in der fabrik gemeinsam mit der Französin Malgven Gerbes leiten wird. Nicht das Alter sei entscheidend, sondern der Punkt im Leben, an dem man noch einmal durchstarten und sich mit dem bereits Gelebten auseinandersetzen will. Sich vielleicht noch mal extravagante Wünsche erfüllen möchte, jenseits von dem, was man kennt. „Gerade das Kreative kommt neben Job, Haushalt und Familie meist zu kurz“, so Sabine Chwalisz.

Die Träume und Erinnerungen der Teilnehmerinnen, die durchaus auch 80 Jahre sein können, sollen in Bewegung, Musik oder Geschichten fließen, die am Ende des Kurses der Öffentlichkeit präsentiert werden. Keiner müsse tänzerische Vorkenntnisse aufweisen, die Erfahrungen im Leben sind wichtig und die Lust, die Bühne zu erobern.

Den Impuls für diesen Workshop bekam Sabine Chwalisz durch ihre Großmutter, die vor anderthalb Jahren starb. „Als kleines Kind erzählte sie mir oft über ihr Leben, über Krieg und Vertreibung. Als ich dann erwachsen war und gerne tiefer eingedrungen wäre in diese spannende Vergangenheit, war meine Oma dement. Ich finde es schade, dass Frauen mit einem reichen Leben relativ wenig Gehör finden.“ Gerade auch durch die Wende seien viele Brüche passiert: Wie veränderten sich dadurch die Wünsche der Frauen? „Darüber möchte wir auf der Bühne reflektieren und unsere ganze Neugierde hineinwerfen.“ Es geht dabei nicht um eine Therapie oder Nabelschau, sondern um eine plastische Auseinandersetzung, die auch für Zuschauer interessant sein soll.

Lange bevor morgen zur ersten Einstiegsstunde geladen wird, haben sich die 47-jährige Sabine Chwalisz und die 30-jährige Malgven Gerbes selbst einander genähert, sich tänzerisch „Maß genommen“, um eine gemeinsame Bewegungs- und Bühnenphilosophie zu entwickeln. Während des Workshops sehen sie sich als Begleiterinnen, die den Reichtum der Frauen durch choreografische und dramaturgische Impulse zum Fließen bringen möchten. Die Tänzerin Malgven Gerbes arbeitet bereits in Berlin begeistert mit älteren Frauen. Für sie war die eigene Tanzschule, die sie mit 15 Jahren besuchte, ein Schlüsselerlebnis. Denn in ihrer Tanzgruppe war auch eine 80-jährige Dame, die für einen ungeahnten Energieschub sorgte.

Auch Sabine Chwalisz erzählt, dass ihre Eltern sie manchmal förmlich mit ihrer Energie überrennen. Sie seien nicht mehr nur die Großeltern, die für die Enkel Mützen stricken. Sie selbst sei eigentlich auch schon in der zweiten Lebenshälfte, überlegt Sabine Chwalisz, obwohl sie es nicht so betrachtet: „von der Berufserfahrung sicher schon, aber da ich drei kleine Kinder unter vier Jahren habe, ist das noch mal eine ganz andere Spannweite.“

Die fabrik bringt mit ihren „Frühlingsrollen“, die am Wochenende starten, nicht nur die Älteren auf Trab. Zu den insgesamt acht neu anlaufenden Workshops gehört auch der Tanzparcours mit Live Musik für jedes Alter: „Eine Frühlingsrolle am Sonntagvormittag, bei der jeder richtig ist“, wie Christin Cammradt von der fabrik verspricht. Um Hemmschwellen abzubauen, helfen Akkordeon und die spielerischen Ideen von Kathi und Ludovic Fourest. Und bei Paula E. Pauls Tanzworkshop „Behaupten statt Erfüllen“ darf, nein soll, ebenfalls jeder nach seiner Fasson die eigene Bewegung finden. Dabei geht es weniger erzählerisch zu als beim „Frauenprojekt“. Dort gilt allein die eigene klare Präsenz.

Einstiegsworkshop für „Und noch viel mehr“ am 20./21. Februar sowie 27. und 28. März, Teilnahme frei. Gebühr für Gesamtprojekt 250 €. Abmeldungen für alle Workshops unter Tel. 2800314

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