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Kultur: „Unerhört, das ist meine DNA!“

„Vom Erdboden verschluckt“: Gruseliges mit dem Kindertheater Samurai

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„Vom Erdboden verschluckt“: Gruseliges mit dem Kindertheater Samurai Nach dem urständischen Ausflug mit dem Raumschiff „Boulette“ ins All und einer „Zeitreise im Angesicht des Todes“ stürzte sich das inzwischen älter gewordene, aber wie stets quicke Kindertheater SAMURAI am Freitag im ausverkauften Haus des T-Werks in ein neues Abenteuer, nicht weniger gefährlich, genauso amüsant und originell wie die anderen Spielvorlagen, allesamt selbst ausgedacht und mit Eifer bunt und lustig ausgestattet. Aber niemand hätte wohl gedacht, wie wörtlich der Titel „Vom Erdboden verschluckt“ genommen werden will. Zu Anfang sah man ja nur fünf Kinder in einem dunklen Walde übernachten. Während sich hinter ihnen die glitzernden Augen der Nacht auftun, Vögel kreischen und Äste knacken, erzählen sie sich auch noch gruselige Geschichten, darunter von einem Buben, der irgendwann verscholl. Eine dieser Storys, so behauptet der Programmzettel, sei allerdings wahr ... Eine Projektionswand hinten, je zwei Gassen rechts und links, ansonsten spielten die alerten „Krieger“ Nippons wieder auf einer offenen Bühne, ausgedacht von Sylvia Heilgendorff. Regisseure Ulrike Schlue und Tilman Gegenbauer haben gut daran getan, das Phantasie-Potential der jungen Darsteller zu befragen, denn aus ihren Träumen, Wünschen und Ängsten ist die sechzigminütige Aufführung gemacht. Alle Fünfe tauchten nacheinander ein in ihre eigene Welt, so gruselig wie ernst, so spielerisch wie glaubhaft. Mia Knop-Jacobsen verschlägt es zum Beispiel in das harte Dasein eines Zirkus, wo der junge Pantomime (Hagen Hummel) übt und ein Clown (Anselm Ludewig) seine Prügel verteilt. Sie will mitmachen, doch schafft sie es nicht und wird ausgestoßen. Yole Bortz gerät in den asiatischen Urwald, darinnen es vor prachtvoll gearbeiteten Tieren nur so kreucht und fleucht und wo ihr ein drolliger Bambus-Bär begegnet, welcher mit den Augen rollt, die Kiefern klappt und den Rock“n“Roll liebt. Als SAMURAI beim Festival in Frankreich zu Gast war, verriet ihnen eine tibetische Gruppe, wie man so etwas baut. Offenbar hatte Regina Pautzke nebst Helfern gut aufgepasst, dieses urige Tier (Cikomo Paul, Moritz Heilgendorff) war die umjubelte Sensation. Anders Johannes Pautzke. In seinem Traum teilen ihm die Eltern urplötzlich mit, daß die Mutter schwanger und für ihn kein Platz mehr in der Familie sei. Er wird bis zu seiner Adoption in ein Tanz-Internat mit lauter hübschen Mädchen (und Breakdancer Philippe Kozik) abgeschoben, allein, als die jungen Damen ihre Schleier lüften, starren ihn hässliche Langnasen an. Gruselig. Ein weiteres Abenteuer-Kind wird von einer Welterrettungs-Sekte festgehalten. Um es zu einen der Ihren zu machen, wollen sie sein Erbgut ändern, doch er schreit sie alle hinweg: „Das ist meine DNA! Unerhört!“ Das Parkett reagiert begeistert. Am Schluss hebt sich der Vorhang, ein zuckerroter Mund erscheint, als jene Erde, welche den verschollenen Knaben einst verschluckte. So ergeht es den Ärmsten nun auch, doch gemach, sie kommen frei, weil sie das gefräßige Wesen von innen her ordentlich kitzeln, und siehe, auch das gesuchte Kind, längst seinen Hosen entwachsen, wird ausgespieen. Alles gut am Ende! Wieder hat man ein phantasievolles Stationenstück gesehen, mit Liebe, Pfiff und guter Sprache inszeniert. Aber diese Samurai-Darsteller sind nun flügge. Wäre es nicht Zeit, sie zu anspruchsvolleren Aufgaben zu führen? Kindliches Staunen genügt jetzt nicht mehr.Gerold Paul

Gerold Paul

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