Kultur: Unheil und Trost warten im Licht
Großartige Arbeiten von Barbara Raetsch im Museumshaus Im Güldenen Arm
Stand:
Es ist immer das Licht. Es blitzt auf in Häuserfassaden. Weich und die Ecken abrundend, wie es das an späten Nachmittagen so macht. Es wirft über Bande – ein spiegelndes Fenster nämlich – einen letzten Gruß vor der Dunkelheit in die Straße. Oder es schäumt auf, blendend und alles verschlingend wie auf den monochrom gelben Bildern, die ganz am Anfang der Ausstellung hängen.
Was hier zu sehen ist, im Museumshaus Im Güldenen Arm, sind jüngere und ältere Arbeiten von Barbara Raetsch. Der Malerin also, die wie kaum eine Zweite ein Gespür für Potsdamer Substanz hat. Und damit ist nicht nur die Bausubstanz gemeint, auch wenn die – auf den ersten Blick – immer oder oft ihr Sujet ist.
So auch hier. Kräne staken wie glühende Gerüste aus Stahl aus dem Bauch der Stadt. Leuchten orange und haben – auf dem nächsten Bild – den Himmel schon angesteckt: anklagend, antikriegsrot spannt er sich da über der schwarzen Silhouette. Überhaupt sind ihre Farben vielleicht ihr eigentliches Thema. Oft behaupten sie sich, erzählen lauter als die Formen, vor allem ihr Rot, ihr Schwarz, ihr Gelb. Aber es gibt auch die – im Vergleich dazu – blasseren Bilder. Nicht blass im Sinne von blutleer, nur gemischter. Diese eine Häuserfront etwa, ein bisschen heruntergekommen, auf der sich das Abendlicht bricht. Die Fenster zu schweren Spiegeln macht und die Farben auf den Wänden mild. Ein Haus, in das man gerne abends heimkommen will. Keine Schönheit – flaches Dach, zwei Stockwerke – aber ein guter Freund. So wie das Haus auf dem Bild daneben: Man glaubt, die Häuserzeile sofort zu erkennen, Potsdam, ganz klar. Sein linker Nachbar ganz in diesem typischen grau-beige, der rechte eingerüstet, schon in den kalten Fingern der Sanierung. Das mittlere blitzt weiß in einem tief stehenden Licht auf, ganz fest steht es da – bis auf seine rechte Seite, die ihm, wie ein gelähmtes Lid, ein bisschen aus dem Gesicht fällt.
Graubraun, hat Barbara Raetsch im PNN-Interview einmal gesagt – das war für sie die Farbe der DDR. „Und noch etwas Rot im Holländerviertel. Das hat nichts Ideologisches, wenn ich das sage.“ Ihr sei der morbide Zustand, der damals auch ein bisschen herrschte, als Künstlerin immer entgegengekommen. Damit konnte sie immer viel anfangen.
So richtig vorgegeben war es eigentlich nicht, dass sie die Malerin sein würde, die Potsdams Seele einfängt. Am 21. Oktober 1936 in Pirna geboren, kam sie erst 1958 in Potsdam. Damals heiratete sie den Maler Karl Raetsch – und fing an, sich autodidaktisch mit der Malerei zu beschäftigen. 1977 wurde sie Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR und arbeitet seitdem freischaffend.
Ihr Werk kann man heute – auch – als eine Chronik Potsdams lesen, schließlich hat sie über 30 Jahre lang hat die bröckelnden Fassaden in der Innenstadt zu ihrem Thema gemacht. „Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Wie kann es sich eine Gesellschaft leisten, Städte mit historisch wertvollen Häusern so verfallen zu lassen? Dieser lautlose Verfall hat mich sehr beschäftigt. Es war eine ganz stille Sache. Da habe ich angefangen, auch politisch zu denken“, sagt sie im PNN-Interview über diese Zeit.
Jetzt, heute, sind die Baustellen ihr Sujet. Die Umbrüche, denen die Stadt ausgesetzt ist, die wiederherstellen wollen und doch ein ganz neues Potsdam schaffen.
Aber Barbara Raetsch wäre keine große Künstlerin, wenn das alles wäre. Natürlich funktionieren ihre Bilder weit über den lokalen Bezug hinaus. Denn klar fragt man sich: Woher kommt, wenn jemand im beschaulichen Potsdam malt, dieses Bedrohliche, das schwelend Unheilhafte in vielen ihrer Bilder. „Wahrscheinlich kann ich da gar nicht raus. Ich bin einfach nicht so gepolt, die Idylle zu suchen“, hat Raetsch dazu gesagt. Und manchmal schafft sie dieses Klamme, das Anti-Idyllische auch ohne Farben. Olivgrau, weiß und schwarz ist etwa das Gebilde, das an ein halb verfallenes japanisches Teehaus erinnert. Eines der wenigen Bilder übrigens, in denen das Licht diffus und fahl ist.
Ganz anders als auf der gelben Serie gleich am Eingang. Hier besteht alles aus Licht, es legt sich gleißend um angedeutete Formen, die sich nur noch als zarte Struktur aus der Leinwand wölben oder als zarte, rote Punkte das Mohnfeld andeuten, das da in der Hitze versinkt. Genau diese Bilder – an denen man anfangs ob ihrer monochromen Flächen fast vorbeisieht – sind am Ende vielleicht die Essenz dieser Ausstellung. Diese Unruhe, eingewebt in warmes Strahlen, das über allem liegt. Das ist schon das, was das Leben ausmacht: Es ist schön – aber sicher kann man sich dessen nie sein. Der Umbruch ist allem jederzeit eingeschrieben.
Die Ausstellung „Realitäten“ wird am Sonntag, 21. August, um 15 Uhr im Museumshaus Im Güldenen Arm, Hermann-Elflein-Straße 3, eröffnet
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: