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Kultur: Unhöflich

Das Konzert zweier Jugendsinfonieorchester

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Natürlich gehören Fragen des Benimms nicht zum Aufgabenkreis einer Musikschule. Andererseits wird davon jeder betroffen. Kurz, der Auftritt des Jugendsinfonieorchesters der Musikschule aus dem polnischen Opole zusammen mit dem Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule Potsdam im Nikolaisaal war zwar musikalisch ein Gewinn. „Gemeinsam nach Frankreich“ nannte sich das Konzert, dessen Rahmen und Präsentation jedoch reichlich seltsam waren. Denn nur in der Musik stimmte der Takt. Hinweise auf das Programm und die Ausführenden gab es zunächst weder in schriftlicher noch in mündlicher Form. Dabei hätten die jungen polnischen Solisten an Klavier und Geige wirklich verdient, mit Namen genannt zu werden. Abgesehen davon, dass vielleicht auch den einen oder anderen Zuhörer Titel und Komponisten interessiert hätte.

Ohne Begrüßung traten die polnischen Gäste als erste auf und wärmten, quasi als Vorprogramm, mit brillanten Chopin-Paraphrasen den halbgefüllten Saal an. Werden so Gäste empfangen und präsentiert? Dass der junge namenlose Pianist mit der Polonaise op. 40 noch einen originalen Chopin spielte, war allein dem brausenden Applaus des Publikums zu verdanken. Anschließend vereinigten sich die polnischen Musiker mit dem Potsdamer Jugendsinfonieorchester. Geboten wurde die Arlésienne-Suite Nr. 1 von Georges Bizet, eine erstaunliche Komposition mit vielen Gelegenheiten für die jungen Musiker, ihre außerordentlich hohen Fertigkeiten in unterschiedlichsten Kombinationen zu Gehör zu bringen. Auch Anlässe zur Beobachtung ergaben sich. Bei beiden Orchestern sind die Mädchen in den hohen Streichern und den Holzbläsern in der Überzahl, während Blechbläser und Schlagzeug von den Jungen dominiert werden. Wenn man bedenkt, dass noch bis ins 20. Jahrhundert hinein Violinspiel als rein männliche Domäne galt, kann man also durchaus von einem emanzipatorischen Wechsel reden. Bei den Solisten sieht es dann allerdings oft schon wieder anders aus. So wurde das Doppelkonzert d-Moll für zwei Violinen von Johann Sebastian Bach von einem jungen Mann angeführt, sekundiert von einer jungen Dame – ein barockes Glanzlicht, das überaus virtuos und herzergreifend gespielt wurde.

Nach der Pause fielen die Potsdamer Gastgeber wiederum durch Nichterscheinen auf, stattdessen erschien der polnische Dirigent auf der Bühne, ein sehr sympathisch wirkender älterer Herr, und gab in flüssigem Deutsch einige Informationen. So erfuhr man von Hubert Prochota die Namen der Geiger, Piotr Kosarga und Maria Strzelcyk. Das Finale blieb dem neuen Dirigenten des Jugendsinfonieorchesters der Landeshauptstadt, Andreas Jerye, überlassen. Mit den jungen Polen zu einem Riesenorchester vereint, spielte man César Francks Sinfonie d-Moll, ein bombastisches Werk, das bereits zum Repertoire der Potsdamer Musiker zählt. Wenn man erinnert, welch freundliches, offenes Klima noch vor wenigen Jahren dort herrschte, bedauert man diese lieblose Präsentation umso mehr. Selbst aus dem Publikum konnte man in der Pause diesbezügliche Kommentare wie „peinlich“ und „unhöflich“ hören. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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