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Kultur: „Unkorrekte Cartoons“

Der Magdeburger Phil Hubbe zeigt eine Ausstellung im Berufsbildungswerk des Oberlinhauses

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„Makaber!“ urteilen die einen - „über so etwas lacht man doch nicht!“ die nächsten. Man macht keine Witze auf Kosten der anderen. Im Falle des Magdeburger Cartoonisten Phil Hubbe liegt der Fall etwas anders: Er lacht nicht allein über Seinesgleichen und über sich selbst, er will sogar, dass andere es ihm gleichtun. Nur worüber? Einer hängt hoch im Baume, schwarze Brille, keine Arme und Beine. Unten grübeln Zweie: „So einiges spricht gegen Selbstmord“. Oder das tröstende Wort einer Frau gegenüber dem Contergan-Kind ohne Arme, ohne Beine: „Brauchst wenigstens keine Maniküre, keine Pediküre, bekommst auch keine Krampfadern!“

Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht. So hatte es die Oma von Markus-Maria Schleppinghoff immer gesagt, wenn er wegen seiner angeborenen Teil-Lähmung mal traurig war. Dieses kostbare Wort hat er sich noch bewahrt, als er Referent für berufliche Integration im Bildungswerk des Oberlinhauses wurde. Er sorgte dafür, dass die meist farbigen Cartoons von Hubbe als Ausstellung in die Steinstraße kamen, dorthin, wo Behinderung das Normale ist und die Berufsschüler vor denselben Problemen wie Nichtbehinderte stehen, wenn sie erst ausgelernt haben. Lachen als Therapie, als Selbstschutz, aber auch als Weg zu seinem Nächsten. So sieht es Schleppinghoff, so auch Phil Hubbe, der von sich sagt, er sei nicht nur behindert, sondern Magdeburger und Familienvater.

Er ist einer der ganz Wenigen, die ihren Status künstlerisch thematisiert haben, weltweit sogar. 1966 in Haldensleben geboren, erkrankte er 19 Jahre später an Multipler Sklerose. Freunde ermunterten ihn, diese unheilbare Krankheit zum Thema seiner Cartoons zu machen. Neben Ausstellungen veröffentlicht er regelmäßig in Tageszeitungen, trat aber auch schon mit zwei eigenen Büchern hervor. In „Der Stuhl des Manitu“ und „Der letzte Mohikaner“ verbirgt sich bereits seine Krankheit. Hubbe reizt sein Thema aus. Humor, wenn der Verkehrsfunk meldet, mit Behinderungen sei zu rechnen, indes ein Autofahrer nicht vorwärts kommt, weil so ein Transporter vor ihm trödelt, Grimm, wenn eine Rollstuhlfahrerin ihrem Mann Schwangerschaft kündet, er sich aber erbost: „Reicht dir eine Behinderung nicht!“ Oder der Trinker verlangt am Tresen den zweiten Harten, weil es sich auf einem Bein so schlecht steht – er hat aber nur eines. Vierzig dieser „Unkorrekten Cartoons“ werden gezeigt.

Makaber? Die leicht Fertigen wenden sich schnell ab, verkneifen sich das Lachen. Falsch, meint der Referent, die Berufsschüler vor Ort haben diese Exposition mit größtem Vergnügen angenommen. Sie lachen, Hubbe lacht, auch Schleppinghoff – warum sollte sich der Gesunde da schwerer tun? Das Zeichentalent des Magdeburgers, vor allem aber sein persönlicher „Zugriff“ garantieren, was der kleinste und zugleich der größte Gemeinsame Nenner zur Welt der „Heilen“ ist, was mehr verbinden als trennen soll: Humor, und man weiß doch längst, dass der Schwarze von allem der beste ist. Ein Gran schlechtes Gewissen inklusive. Körperliche Unvollkommenheit, sagt der Referent, ist ja auch ein "Amt", es kommt darauf an, wie man damit umgehe. Ein Cartoon zeigt, was diese Menschen nicht wollen: Als „An den Rollstuhl ‚Gefesselte’“ gelten, denn dieses Gefährt, immer wieder zu sehen, verkörpert schließlich ihre Beine. Sie möchten einfach als gleichwertig akzeptiert werden. Diese Aufgabe steht vor dem Betrachter, was sie trotzdem zu tragen haben, bleibt ihnen ja. Gleich sein in der Verschiedenheit, lachen trotz der Hindernisse, vielleicht wäre dies ein Weg. „Alfreed, wo bist du?“ fragt die Oma, als dieser vom Rollstuhl einen Abhang hinabgestürzt war. „Sag doch was!“ Aber Alfred kann nicht. Ohne Arme und Beine, hält er sich nur mit den Zähnen an einem Ast fest. Lachen ausdrücklich „erlaubt“, ohne sich dafür entschuldigen zu müssen. Gerold Paul

Bis zum 4. April im Berufsbildungswerk des Oberlinhauses, Steinstraße 80/82/84, Mo bis Fr 9 - 18 Uhr

Gerold Paul

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