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Kultur: Unpopulär, uniform, kaum originell

Vom zweiten Tag des Klangfestes im Alten Rathaus

Stand:

Global player beherrschen folgenreich die Welt. Auch die Musik meldet ähnliche Herrschaftsansprüche an. Dass dabei größtenteils nationale Besonderheiten auf der Strecke bleiben, Tonsatzarbeiten sich einander ähneln – was schert“s die Globalisten. Uniformität ist angesagt. Von Schönheit in der neuen Musik reden sie schon lange nicht mehr. Das Anliegen des Komponisten, so das avantgardistische Urgestein Georg Katzer, sei „nicht in erster Linie das Schöne, sondern das Fesselnde, auch das kompositionstechnisch Raffinierte, vor allem aber das Neuartige“. Doch wenn“s wie über den Kamm geschoren erscheint?!

Davon gibt es am zweiten Tag des „intersonanzen“-Klangfestes im Alten Rathaus eine Menge zu erhören. Für Kenner und Neugierige will sie unpopulär und originell sein, die Gegenwartsmusik aus Brandenburg, Berlin und der Welt. Das Preisträgerkonzert des II. Internationalen Kompositionswettbewerbs des Brandenburgischen Vereins Neue Musik (an dem sich 25 Autoren beteiligten) kündet im Theatersaal davon. Ein erster Preis wird nicht vergeben, dafür jeweils zwei zweite, dritte sowie Förderpreise. Unter der Leitung von Helmut Zapf nimmt sich das Ensemble Junge Musik Berlin engagiert der Novitäten an. Zerklüftet und zerrissen, floskelhaft schrill und geräuschhaft hört sich das Meiste an. Sollte es ein Spiegelbild des gegenwärtigen Zustandes der Welt sein?

Aus dem dissonanten Einerlei hebt sich „Hatirlmalar“ (Erinnerungen) für Baglama (siebensaitiges Zupfinstrument aus dem Nahen Osten), Flöte und Streichtrio des Türken Taner Akyol (geb. 1977) heraus, der die Baglama selber spielt. Wie er, versucht auch der Malaysier Chong Kee-Yong (geb. 1971) die traditionellen Klangfarben der westlichen mit der östlichen Musikwelt zusammenzufügen. In seiner von der chinesischen Kalligraphie beeinflussten „Metamorphosis VIII“ ist“s die fernöstliche Mundorgel Sheng (exzellent geblasen von Wu Wei), die mit Altflöte, Kontrabass, Oboe und Bassklarinette) in aparte Klangbeziehungen tritt.

Letzteres Instrument, klangbrillant von Matthias Badczong geblasen, bestimmt auch das Konzert des Hermann-Keller-Trios im Musikzimmer. Helge Jungs „A circle of tales“ geht in einem eigenwilligen Dreiergespräch der Frage nach, ob man heutzutage noch einer Meinung sein kann/darf. Disparat geht es zu, mitunter redet man auch talkshowtypisch durcheinander. Aufhorchenswert der melodische Konsens zwischen Klarinette und Violoncello (Cosima Gerhardt) im „Mysterious“-Satz, den das von Hermann Keller arg traktierte und strapazierte Klavier zu stören trachtet. Im Zusammenspiel von Tape und Bassklarinette handeln „Hortensien“ der Annette Schlünz von der Suche und des Nichtfindenkönnens zweier Menschen. Sehr originell. Klangfarbliche Reibungen und Veränderungen bestimmen Susanne Stelzenbachs „Weiß über Schwarz“. Über die Frage von Schönheit (= tonale Wendungen) und Wahrheit (= Dissonanzen) führt Hermann Keller in „Kurzes Aufleuchten“ einen klangphilosophischen Disput.

Allen nur erdenklichen klangtechnischen Spielereien auf Blockflöte, Hackbrett, Akkordeon und Schlagzeug frönt das Ensemble Kozmosz aus Berlin. Aufgesetzt Wirkendes, was beispielsweise Pèter Köszeghy in „Schizophonie 1“ und Erik Janson als „Tanz der Rhizome II“ notiert haben, gibt es durch sie im Klubraum zu hören.

Fesselnd ist“s kaum, neuartig nicht immer, originellsüchtig fast durchweg. Nach dem Sinn solcher Bemühungen sollte man lieber nicht fragen.

Peter Buske

Peter Buske

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