Kultur: „Unser Planet“: Nie wieder Easter Island „ueber morgen“
ein Festival im Thalia
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Easter Island hat eine traurige Geschichte. Die baumlose Insel knapp 4000 Kilometer vor der chilenischen Küste ist noch heute ein einsamer Ort, früher war sie eine abgeschlossene Welt. Als sich die ersten Europäer hierher verliefen stießen sie auf ein Rätsel. Riesige Statuen aus Stein, die meisten umgestoßen. Man fand man heraus, warum: Um 1600 ging der ehemals baumreichen Insel das Holz aus. Kein Wald, kein Leben. Keine Schiffe, kein Fleisch. Die Insel hungerte, Stammeskämpfe begannen, man zerstörte die Statuen. Sogar von Kannibalismus ist die Rede. Das Holz kam nicht wieder.
Easter Island ist ein Symbol. So zumindest sieht es der Wissenschaftler, der in dem skandinavischen Dokumentarfilm „Unser Planet“ diese Geschichte erzählt. Easter Island – eine Metapher dafür, was auf die Erde zukommt, wenn die Menschen weitermachen wie bisher. Wenn sie – wir – weiter Raubbau mit den Ressourcen unseres Ökosystems betreiben und so tun als sein diese Ressourcen grenzenlos. Wie die Einwohner der Insel gäbe es für die Menschen keinen anderen Ort, an den sie flüchten könnten, wenn das Öko-System zusammenbräche. Angesichts dessen, wie es momentan läuft, wird es so kommen. Das ist die Botschaft der schwedisch-dänisch-norwegischen Koproduktion. Mit einer Mischung aus schönen und erschütternden Bildern, aus Humor und Drohgebärde, mit viel Musik und flotten Schnitten warnen sie: Um weiter auf und von der Erde zu leben, müssen wir grundlegend etwas ändern. Nie wieder Easter Island!
„Unser Planet“ gab den thematischen Auftakt für das Festival „ueber morgen“. Eine Woche lang wird im Thalia im Rahmen von Filmen und begleitenden Publikumsgesprächen die Zukunft befragt – nach Möglichkeiten, Gefahren, Idealen. Die von der Initiative „dieGesellschafter.de“ ins Leben gerufene Reihe ist ein Festival auf Reisen. Seit November 2007 schon sind die 13 Filme deutschlandweit unterwegs, bis Sommer 2008 geht es in 100 Städte. „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ fragen die Filme. Dabei geht es nicht nur um ökologische Problematiken, sondern etwa auch um Kubas Kommunismus seit Zusammenbruch des Ostblocks („Hinter dem Zuckervorhang“) oder den Versuch einer ostdeutschen Gemeinde, trotz Überalterung, Abwanderung und Arbeitslosigkeit nicht zu resignieren („Eggesin Möglicherweise“). Das Programm will nicht bequem sein, sondern Gesprächsstoff liefern. Und Handlungsbedarf aufzeigen.
Unbequem war auch der zweite Film des Abends. Während „Unser Planet“ informiert, alarmiert und polarisiert, entzieht sich „A Scanner Darkly“ geradlinigen Deutungen. Der Film von Richard Linklater („Fast Food Nation“) ist nicht Utopie, sondern düsterste Dystopie à la „Brave New World“. Nach dem Roman von Philip K. Dick beschreibt „A Scanner Darkly – Der Dunkle Schirm“ die Zukunftsvision eines Wirklichkeit gewordenen Überwachungsstaates. Die Menschen leben unter ständiger Beobachtung, die vom Staat gleichsam gezüchtete wie offiziell verbotene Droge „Substanz T“ bietet ihnen Zuflucht, hält sie aber auch gefügig. Keanu Reeves spielt den Doppelagenten Bob Arctor, der zugleich für und gegen den Staat arbeitet und den Auftrag erhält, sich selbst zu überwachen. Die Droge zerfrisst ihm dabei so sehr das Hirn, dass er nicht nur seinen Auftrag sondern auch sich selbst aus den Augen verliert. Am Ende wird er zur Marionette fremder Kräfte: „Wer bin ich?“
Die Comic-Ästhetik des Films hat einen seltsamen Effekt: Sie rückt die Geschichte in eine technikalisierte Distanz und berührt, bestürzt zugleich unmittelbarer, als ein Spielfilm. Sie sieht sich wie ein Märchen, das erschreckend zielsicher ins Heute zeigt. Diesen Parallelen spürte Frank Prinz-Schubert in einer anschließenden Diskussion nach. Mit Hinblick auf die USA und Afghanistan meinte Sucht-Experte Rüdiger Schmolke, der Film zeige, wie ein Staat Kriminalität benutzt oder gar konstruiert, um die eigene Autorität und Wirtschaftskraft zu stärken. Ricardo Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zufolge ist aber auch ein Stück deutscher Alltag im Film zu sehen. Handyortung und Datenspeicherung der Anrufe – im Film als gruselige Science Fiction gezeigt – werden seit dem 1. Januar 2008 in Deutschland praktiziert. Aktueller könnte eine Filmreihe zum Thema „Wie wollen wir leben“ kaum sein. Lena Schneider
„A Scanner Darkly“: am 28.1., 17.30 Uhr, im Thalia
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