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Kultur: „Unsere schöne DDR nur grau“

Klaus Büstrin

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Klaus Büstrin Am 22. September 2006 wird sich am Havelufer in der Schiffbauergasse endlich der Vorhang des neuen Hans Otto Theaters öffnen. In unserer wöchentlichen Serie wollen wir an die vergangenen Jahrzehnte des Theaters erinnern, an Künstler auf der Bühne, davor und dahinter, an Schauspiel- und Musiktheaterereignisse, an Episoden aus dem Theaterleben Potsdams. Heute: Die Sorgen und die Macht Am Theater der Bergarbeiter Senftenberg wurde 1960 das Schauspiel „Die Sorgen und die Macht" uraufgeführt, quasi vor Ort. Das Stück von Peter Hacks behandelt Konflikte zwischen Arbeitern einer Brikett- und einer Glasfabrik in der frühen DDR. Es geht um Qualitätsarbeit, Lohn, Prämien und es erzählt von einer SED-Parteigruppe, die nicht auf der Höhe der Zeit ist. Die Senftenberger Erstaufführung rief bereits Kritik an Hacks’ Stück hervor, die sich nach der Berliner Inszenierung am Deutschen Theater noch verstärkte. Derart viel Negatives, das wir bei der „Entwicklung des Sozialismus" durchmachen müssen, so die SED-Kulturfunktionäre, gibt es nicht. „Die Sorgen und die Macht" verschwand vom Spielplan. Doch der Potsdamer Intendant Gerhard Meyer hatte den Mut, das Hacks’sche Schauspiel ans Hans Otto Theater zu holen. 1962 wurde es von Peter Kupke inszeniert. In den Hauptrollen waren unter anderen Jutta Wachowiak, Christoph Engel, Arno Wyzniewski und Gerhard Meyer zu sehen. Auch Schülern sollte das Stück gezeigt werden. Einige Tage vor dem Theaterbesuch erklärte unsere Deutschlehrerin der Klasse, dass „Die Sorgen und die Macht“ nicht für Schüler geeignet sei. „Unsere schöne DDR wird darin nur Grau in Grau gezeichnet. Das können wir uns nicht bieten lassen“, so oder ähnlich war ihre Erklärung. Neugierig geworden, wollten einige Schüler das Stück dennoch sehen. Zur angekündigten Vorstellung erschien eine kleine Gruppe im Theater. Doch leider postierte sich davor die misstrauische Deutschlehrerin mit drohender Gebärde. Wir mussten uns zurückziehen. Sie aber selbst bewegte sich in den Zuschauerraum. Doch ganz so schlau war die Lehrerin dann doch nicht. Die nächste Vorstellung war „unsere". Wir spürten, dass da oben auf der Bühne über wichtige Fragen der Gesellschaft gesprochen wurde, aber so richtig haben wir den Handlungsverlauf noch nicht verstanden. Auch heute, 43 Jahre danach, erscheint mir die Geschichte immer noch etwas bizarr. Nur sechs Vorstellungen konnten am Hans Otto Theater gespielt werden, erzählte Irmgard Mickisch, langjährige Dramaturgin des Theaters. Dann war es weg vom Spielplan. Zu viele Dissidenten, die die Kritik im Stück an den Verhältnissen in der DDR begrüßen, würden von Berlin nach Potsdam geholt, so die Meinung der Bezirks- und Kreisleitung der SED. Des Dramatikers Peter Hacks Komödien wurden vom Hans Otto Theater immer wieder gern gespielt. „Der Müller von Sanssouci“ wurde in der Folgezeit auf die Bühne gebracht – ein Stück, in dem es um den Gebrauch von Macht geht, Bearbeitungen von Goethes „Das Jahrmarktsfest von Plundersweilern“, Offenbachs Operette „Die schöne Helena“ und „Orpheus in der Unterwelt“, Aristophanes „Der Frieden“, auch die Komödien „Adam und Eva“ sowie „Moritz Tassow“, das ebenfalls in der Kritik der Funktionäre stand, denn die Darstellung blasser Funktionärstypen, wie sie im „Tassow“-Stück gezeigt werden, waren laut Anweisung von oben, nicht erlaubt.

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