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Kultur: Unter dem Dach der Kirche

Zum 100. Geburtstag des Künstlers Rudolf Heltzel – einem Ehrenmitglied der Potsdamer Urania

Stand:

„Komm als Freund doch, als guter, sei Brücke von Welt zu Welt! Nimm uns so, wie die Mutter, ihr Kind in den Armen hält!“ Diese Hymne an den Tod schrieb der Künstler Rudolf Heltzel im Januar 1945, als er vom Ableben seines Freundes, des „Priesterdichters“ Ernst Thrasolt, erfuhr. Ihn selbst berührte „Freund Hein“ vor anderthalb Jahren, hochbetagt.

Anlässlich seines 100. Geburtstages am 14. Januar gedachte man nicht allein in Berlin des unermüdlich tätigen und schöpfenden Mannes, dessen Leben viele Menschen berührte, auch die Potsdamer Urania richtete einen kleinen „Festakt“ für ihr Ehrenmitglied aus. Seine Gattin Ingrid hatte Freunde und Interessenten zu einer Stunde des Eingedenkens geladen, darin Urania-Vorstandsmitglied Renate Bormann eine warmherzige Einführung gab, die Tonbildschau von Käthe Denicke über sein „Berliner Künstlerleben“ vorgestellt wurde, indes nebenan ein freundlicher Imbiss für die Gespräche danach wartete. Zahlreicher Besuch, eine fast ehrfürchtige Stimmung vor dem Menschen und Künstler Heltzel noch post mortem, auch vor den ausgestellten Bildern im Vortragsraum.

Im böhmischen Habstein (heute Jestrebi) als Österreich-Ungar geboren, zog er 1912 nach Berlin, wo er als Damenschneider manche Prominenz der zwanziger Jahre einkleidete. Er war in der katholischen Jugendbewegung engagiert, arbeitete seit 1930 als freischaffender Künstler. Sein Werk freilich ist unüberschaubar. Von Jugend an aquarellierte Heltzel Städte und Landschaften, darunter das „historische“ Berlin, er schuf (oder baute) mehr als 100 Krippendarstellungen mit innovativen Ideen: So steckte er die Figuren gelegentlich nicht nur in die selbstgeschneiderte Konfektion moderner Tage, sondern machte sie auch beweglich, um sie auch mal neu arrangieren zu können. Statt der heiligen drei Könige stellte er sogar die Oberhäupter der drei großen Christen-Kirchen an eine „Ökumenische Krippe“, oder Figuren des Widerstandskampfes. Er applizierte, webte, schnitzte, webte, schuf Grafiken und wunderbare Intarsienarbeiten zu biblisch-christlichen Themen, Kreuzwegdarstellungen, berührende Pietás, Altäre, Figurengruppen, Puppen. Als Alfred Kardinal Bengsch 1979 in Ostberlin starb, öffnete sich ihm die Mauer wie von selbst, denn er sollte ihm die Totenmaske abnehmen. 1994 erhielt er für seine Mittlerrolle zwischen Kunst, Kirche und Gesellschaft das Bundesverdienstkreuz am Bande. Zahllosen Besuchern, auch solchen der Potsdamer Urania, wird sein Dachatelier in der Schöneberger St. Elisabeth-Kirche mit Dachgarten und geselligem Salon-Charakter erinnerlich bleiben, auf hunderten Quadratmetern schuf er sich eine Lebenslandschaft, schöner als das klügste Labyrinth, mit Gängen und Treppen, Gelassen und Bibliotheken, von denen Renate Bormann noch immer schwärmt. Hier fanden neben den eigenen Werken auch seine beträchtlichen Kunstsammlungen Platz.

Vorbei, denn St. Elisabeth hat der Witwe das Dach zum Juni gekündigt, selbst das Hilfsangebot der katholischen Slowenen-Gemeinde, die im Hause zu Gast ist, wollte nicht helfen. Wer soll diese Schätze packen und sichern, und wohin mit all der Kostbarkeit? Nun, wie eine Personalausstellung auch Potsdam gut zu Gesicht stände, so sollte sich die hiesige Kultur- und Sponsorenwelt der Witwe im Namen von Kunst und Gesellschaft erbarmen, Speicher gibt es genug – oder gar jemand im Namen der Kirche, unter deren Dach Rudolf Heltzel die christliche Kunst wieder so groß gemacht hatte? Gerold Paul

Gerold Paul

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