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DDR-Kunst: Unter dem Radar entlanggemalt

Für die DDR zählte vor allem realistische Kunst. Saskia und Andreas Hüneke sammelten, was anders war. Jetzt zeigen sie 150 Arbeiten

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Es sind lange verborgene Schätze, die hier, noch auf dem Fußboden, im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte auf ihre Hängung warten. Selbst im schummrigen Licht des Dachgeschosses, in dem noch keine Ausstellungsbeleuchtung brennt, glühen ihre Farben, lauert ihre Wucht und grinst ihr verspielter Witz. Da ist etwa das Selbstbildnis von Bernhard Michel aus dem Jahr 1984, eine Farbradierung, die den Künstler mit strengem Blick aber rotem Papierhütchen zeigt – gefaltet aus der Bezirkszeitung der SED in Halle. „Freiheit“ steht darauf.

Links und rechts davon liegen und stehen Grafiken, Lithografien, Ölbilder, ein paar kleinere Skulpturen – und ein Tisch voller handgemachter Ausstellungskataloge, Künstlerbücher und provisorische Kunstmagazine – und einigen Neujahrsgrafiken mit teils feinen, zeitkritischen Spitzen. Es sind Arbeiten, die während der DDR-Zeit wenig Beachtung fanden, deren Ausstellung manchmal sogar verboten wurde. Die beiden Kunsthistoriker Saskia und Andreas Hüneke haben in den 1970er-Jahren angefangen, Künstler, die ihnen gefielen, gelegentlich selbst auszustellen – und vor allem ihre Arbeiten zu sammeln.

150 Exponate – von Künstlern wie Hartmut Bonk, Thomas Ranft und Dagmar Ranft-Schinke oder Fotis Zaprasis – sind es jetzt, die Hünekes zwischen dem 22. August und dem 5. Oktober im obersten Stockwerk des Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zeigen. Ein Rundgang wird auch eine kleine Reise durch das untergegangene Land DDR sein. Denn unter dem Titel „Expressiv – konstruktiv – phantastisch: Ostdeutsche Kunst 1945 bis 1990“ hat Andreas Hüneke die Arbeiten nach den lokalen Strömungen und verschiedenen Kunstzentren gegliedert. Was in Dresden passierte, das entdeckt man hier schnell, sah ganz anders aus als Arbeiten aus Halle, Karl-Marx-Stadt oder Magdeburg.

Relativ klein – und ausgesprochen düster – ist die Auswahl an Potsdamer Arbeiten aus dieser Zeit. „Auftragswesen und Kunsthandel waren hier fest in den Händen des VEB Umweltgestaltung und Bildende Kunst“, sagt Andreas Hüneke, das war einmalig, und damit war alles relativ streng reglementiert. Auch bei der Ateliervergabe war die Stadt nicht sehr entgegenkommend.

Halle oder Dresden hingegen entwickelten eigene Schulen. Während in Dresden viele auf die harten Kontraste, die strengen Linien des Informel und Konstruktivismus setzten, entwickelte sich in Halle in den 1970er-Jahren, etwa mit Fotis Zaprasis, eine eher weiche, poetische Form der Abstraktion. Zaprasis war als Kind griechischer Revolutionäre in die DDR geschickt worden, um als Nachwuchskraft herangebildet zu werden, musste als Chemiefacharbeiter anfangen, schaffte es aber doch, Kunst in Leipzig zu studieren.

Klar, nicht alle Künstler, die Hünekes sammelten, waren Untergrund-Künstler, es gab ein großes Netzwerk von Unterstützern, die sich bemühten, deren Arbeiten auszustellen. Es gab aber auch direkte Verbote, Fälle, in denen Ausstellungen geschlossen wurden, oder die Stasi gezielt Initiativen zersetzte – etwa die der Galerie „Clara Mosch“ im damaligen Karl-Marx-Stadt, die Michael Morgner, Thomas Ranft, Carlfriedrich Claus, Gregor-Thorsten Schade und Dagmar Ranft-Schinke selbst gegründet hatten.

Wichtig ist Hüneke vor allem, die unglaubliche Vielfalt an Ideen, an geistigem Widerstand zu zeigen. Eine museale Hängung wird es deshalb nicht geben, sagt Hüneke, die Ausstellung soll eher an ein Atelier erinnern, in dem den Besuchern die ganze Fülle sofort entgegentritt. „Es geht nicht darum, das einzelne Meisterwerk zur besten Wirkung zu bringen.“

Dass er und seine Frau ihre Sammlung jetzt zum ersten Mal zeigen, findet er nicht so ungewöhnlich: „Wir wollten uns nicht in den Mittelpunkt stellen, es soll um diese Kunstszenen gehen, die weitgehend in Vergessenheit geraten – weil sie eben auch heute nicht entsprechend präsentiert werden.“ Heute gebe es bei den großen Ausstellungen ein starkes Streben nach Objektivität, sagt Hüneke. Und weil das, was zu DDR-Zeiten unter dem Label Leipziger Schule entstand, damals so im Mittelpunkt stand, werde das auch bei aktuellen Schauen zur ostdeutschen Kunst oft besonders berücksichtigt. „Das, was die Leipziger Schule damals lieferte, war gar nicht unbedingt sozialistischer Realismus, aber wie in der DDR eben gefordert, standen gesellschaftliche Themen, der Mensch, im Fokus dieser Malerei.“

Doch selbst in Leipzig passierte damals abseits der Akademie viel Eigenwilliges, es gab Leute, die sich mit dem Informel beschäftigten, die Formen auflösten oder sie einfach für sich sprechen ließen – frei von jeder übergeordneten oder symbolischen Aussage. Gil Schlesinger etwa war so einer, als Jude war er nach dem Zweiten Weltkrieg in Israel, dann aber in die DDR eingewandert – um dort Schwierigkeiten wegen seiner Kunst zu bekommen. Das Bild, das Hünekes von ihm zeigen, „Air India“ heißt es, malte er nach seiner Ausreise in den Westen in München. Zu DDR-Zeiten, erinnert sich Hüneke, konnte man seine Arbeiten nur selten sehen – obwohl er großen Einfluss auf die alternative Szene in Leipzig hatte.

Die Ausstellung ist im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte vom 22. August bis zum 5. Oktober zu sehen. Der Eintritt kostet 3, ermäßigt 2 Euro

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