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Kultur: Untergehen

HFF-Schauspieler zeigen in Berlin „Brasch-Gandersheim-Brasch“

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HFF-Schauspieler zeigen in Berlin „Brasch-Gandersheim-Brasch“ Es geht mit mieser Stimmung los. Mit Einsamkeit und Alleingelassensein. Eine junge Frau friert im Mantel vor dem Haus ihrer Eltern, führt ein Gespräch mit der Mutter. Ein Selbstgespräch. Hier ist sie aufgewachsen, hier wird es sie immer wieder hinziehen, sagt sie. Die Mutter ihrer Gedankenwelt ist wenig erfreut über die Rückkehr der Tochter. „Ich habe dich nicht gerufen“, sagt sie, „wie siehst du überhaupt aus. Hemd aus der Hose. Wenn dich die Nachbarn so sehen“. Und so stimmungstief geht es auch weiter in dem Theater der Schauspielabschlussklasse der Filmhochschule, das in dieser Woche in der Neuen Synagoge Berlin Premiere hatte, einem Ort mit Geschichte, die allerdings im modern sanierten Bühnenraum nicht erfahrbar ist. „3:1. Brasch, Gandersheim, Brasch“ heißt das Stück, das die zehn Schauspieler unter der Leitung von Regisseur, Sänger und Schauspieler Nino Sandow auf die Bühne brachten. Eine aus drei Geschichten zusammengesetzte neue Geschichte, fromme, mittelalterliche Texte von Hroswitha Gandersheim, sensibel eingewoben in die rauen Erzählungen (aus den 70er Jahren) des sozialistischen Schriftstellers Thomas Brasch. Das Stück befasst sich mit Zwiespälten der Gesellschaft. Mit Menschen wie dem Idealisten Rotter, der die Welt besser machen will – und daran scheitert. Oder dem Einsatzleiter auf der Baustelle, der seine eigenen Regeln hat, den Arbeitern Urlaub gibt, damit sie am Wochenende das Leben genießen können – und dafür seinen Job verliert. Oder der kühlen Elisabeth, die das Außen nicht mehr nach innen lässt – aus ihr wird eine verhärmte Frau. Das Stück ist anspruchsvoller, wichtiger Stoff, den es lohnt, auf die Bühne zu holen. Eine gute Wahl. Und die Geschichte wird spannend inszeniert. Auch wenn es Längen gibt, zum Beispiel, als es um Rotter geht und die Masken ins Spiel kommen. Die Studenten indes füllen ihre vielfältigen Rollen brillant aus. Klare, kräftige Stimmen geben den spröden Texten von Brasch und der alten Sprache der Gandersheim Farbe. Dazu kommt eine gekonnt eingesetzte, selten überzogene, sehr expressive Körpersprache, die zeitweilig sogar ins tänzerische übergeht. Es braucht nicht viel, um das Gesellschaftsspiel darzustellen. Fünf Männer in weißen Unterhemden und weiten grauen Leinenhose. Fünf Frauen in einfachen, knielangen Kleidern. Mal tragen sie rote Stöckelschuhe, mal eine Jacke über dem Weiß. Auf der Bühne steht nichts, nur in wenigen Szenen wird ein Stuhl aufgestellt, ein Tisch. Die raren Requisiten, ein Korb, Bierflaschen, Besenstiele, kommen und gehen mit den Darstellern. Zum Schluss kann man sich fragen, warum denn der Mathematikunterricht der Sapientias eine so tragende, lang andauernde Rolle einnimmt. Und das Publikum nach zwei Stunden noch so sehr laut choralisch beschrieen werden muss. Insgesamt aber ist „3:1“ rund inszeniert, anregend – und im positiven Sinne anstrengend. Marion Hartig Weitere Aufführungen am 9., 10., 14., 15. und 16. August um 19 Uhr

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