Kultur: Unterwegs in der Stadt
„The City of New York“ – Fotografien von Guido Stoll im Treffpunkt Freizeit
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Manchmal ist es ganz einfach, sich der Welt zu öffnen. Ein kurzer Spaziergang durch die Stadt, Richtung Neuer Garten. Doch die Parklandschaft interessiert jetzt nicht. Es geht in den Flachbau des Treffpunkts Freizeit, in das stille Foyer. Links ein leerer Ausschank, rechts ein abgedeckter Flügel und an den Wänden Bilder, die einen mitnehmen auf eine Reise, auf die Guido Stoll lange gewartet hat.
Schlicht mit „The City of New York“ hat Guido Stoll seine Ausstellung mit 37 Fotografien betitelt. Schwarzweißaufnahmen wechseln mit Farbbildern, Straßenszenen voller Menschen mit architektonischen Stillleben, mal aufgenommen mit der klassischen Spiegelreflexkamera, mal mit dem digitalen Fotografie-Programm Hipstamatic für mobile Apple-Geräte. Stoll gelingt dabei ein Spiel mit bekannten Motiven und ganz persönlichen Blicken auf und in eine Stadt, die für so viele eine Art Sehnsuchtsort ist. Distanz wechselt mit Nähe, Klarheit mit Vielfalt, wenn Stoll mit der Kamera auf New York in weichem Sonnenlicht schaut wie auf eine Naturlandschaft, und auf einem anderen Bild die berühmten gelben Taxis wie Spielzeug über die regennassen Straßen rollen lässt, Menschen beobachtet oder Häuser zu fragilen und unnahbaren Schönheiten stilisiert. Es ist eine wechselvolle Reise durch die Metropole New York, die der Betrachter mit den Bildern von Guido Stoll erlebt. Am eindrucksvollsten wird sie immer dann, wenn er von seinen Motiven selbst überrascht wurde.
So hat Stoll am Strand einen Ausflug orthodoxer jüdischer Jungs mit ihren Rabbinern beobachtet. Er ist ganz dicht rangegangen und hat mit dem Fotografieren begonnen. „Es gab da keine Berührungsängste, keine bösen Blicke“, sagt Stoll. Später habe ihn einer der Rabbiner angesprochen. Sie haben sich unterhalten. Stoll erzählte von seiner Leidenschaft für die Fotografie, der Rabbiner von dem Ausflug an den Strand, um den Jungs ein wenig die Natur zu zeigen. Anfangs schauen einige dieser Jungs noch etwas zurückhaltend, später spielen sie förmlich mit dem Fotografen, wie in der Serie „New York“ auf Stolls Homepage zu sehen ist. Nur zwei Bilder aus der Reihe „Excursion“ hat Guido Stoll für „The City of New York“ ausgesucht. Aber sie zählen zu den stärksten in dieser Ausstellung.
Anfang der 90er Jahre begann Guido Stoll mit dem Fotografieren. Zuerst waren es nur Aufnahmen von Freunden und Partys. Im Fotoklub seiner Heimatstadt Neubrandenburg bekam er die ersten Hinweise und Hilfestellungen für eine professionellere Arbeit, die er nun seit Jahren schon im Potsdamer Fotoklub verfeinert. Es ist vor allem die Street- und Reportagefotografie, die ihn interessiere, sagt Stoll. Aber auch die klassische Kunst- und Architekturfotografie hat ihn geprägt. In den Jahren 2010 und 2011 besuchte er ein Seminar bei dem bekannten Fotografen Rudi Meisel an der Ostkreuzschule für Fotografie und Gestaltung in Berlin.
Guido Stoll gehört zum engeren Kreis des Potsdamer Fotoklubs, der sich auch um die Organisation regelmäßiger Ausstellungen im Treffpunkt Freizeit kümmert. Rund 80 Mitglieder zählt der Klub, in dem sich jeder Fotografieinteressierte engagieren kann. Nur die wenigsten von ihnen können von der Fotografie leben. Für die meisten ist diese Bildsprache eine große Leidenschaft, die sie aber oft auf hohem Niveau betreiben, wie es unter anderem die Arbeiten von Katja Gragert, Guido Stoll oder Ralph Gräf zeigen. Mit dem Treffpunkt Freizeit hat der Fotoklub endlich eine Ausstellungsmöglichkeit in der Innenstadt gefunden. Zwar sind die Räumlichkeiten nicht wirklich ideal, muss der Besucher oft selbst das Licht einschalten, um die Fotografien entsprechend präsentiert zu bekommen, doch wird dieser Improvisationscharakter durch die Qualität der Arbeiten aufgewogen.
Gut 80 Aufnahmen hatte Guido Stoll für seine Ausstellung im Treffpunkt Freizeit ausgewählt. Zusammen mit Mitgliedern des Potsdamer Fotoclubs hat er dann noch einmal aussortiert. Leicht ist es ihm nicht gefallen. „Aber das schätze ich an der Arbeit mit den anderen Fotografen“, so Stoll. Es sei vor allem die Kritik untereinander, herzlich, aber auch sehr offen, die immer wieder den eigenen Blick schärfe.
Den Blick auf New York hatte Stoll schon lange Zeit gerichtet. Doch erst im Jahr 2011, zu seinem 40. Geburtstag, reiste er mit zwei Freunden für elf Tage an die Ostküste der Vereinigten Staaten. „Meine Freunde wussten schon, was sie erwartet, wenn sie mit einem Fotografen unterwegs sind“, sagt Stoll. Doch dass es so intensiv werden würde, hatten sie auch nicht gedacht. Guido Stoll sagt, er habe sich sogar noch zurückgehalten. Doch galt es für ihn, eine Stadt zu entdecken, von der schon unzählige Bilder existieren. Er hat sich treiben lassen, auch weil er seine Freunde nicht immer aufhalten wollte. So hat er dann auch viel mit seinem Apple-Mobiltelefon und dem Programm Hipstamatic fotografiert. Bilder, die anfangs nur für die Motivsuche gedacht waren. Doch Stoll hatte schon bald deren Potenzial erkannt. Gerade durch diese Mischung aus scheinbar Improvisiertem klassischer Straßenszenen und dem Durchkomponiertem klassischer Architekturfotografie wird „The City of New York“ zu einem ganz besonderen fotografischen Erlebnis.
Die Ausstellung ist noch bis zum 5. April im Treffpunkt Freizeit, Am Neuen Garten 64, montags bis freitags, von 8 bis 21.30 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.guidostoll.de und
www.fotoclub-potsdam.de
Dirk Becker
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