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Kultur: Unverhüllt

Mit leisem Schalk: Hans Scheib zeigt „Nadin’s Grübchen“ in der Galerie Bauscher

Stand:

Der gebürtige Potsdamer Hans Scheib gehört schon länger zum festen Künstlerstamm der Galerie Bauscher in Babelsberg. Dort ist ihm nun erstmalig eine Einzelausstellung gewidmet. Beim Flanieren durch die Räume fällt auf, wie sich der Bildhauer Scheib, weit mehr als mit Skulpturen, vor allem mit einer reichen Auswahl an Zeichnungen präsentiert.

Auf den ein oder anderen Ausstellungsbesucher, der das bildhauerische Werk des in Berlin lebenden Hans Scheib schon länger mit Interesse verfolgt, mag die aktuelle Schau etwas überraschend wirken. Denn – und dies belegen auch die im Eingangsbereich ausliegenden Werkkataloge – das eigentliche Markenzeichen des seit 20 Jahren in Charlottenburg arbeitenden Bildhauers scheinen doch zuallererst seine kraftvollen, farbsprühenden, freudig bewegten Figuren zu sein.

Der Humor und originelle Witz, durch den sich die ganze Scheibsche Schöpfung an farbig gefassten Holzskulpturen auszeichnet, hat in seiner aktuellen Ausstellung bestenfalls in leisen Untertönen Einzug gefunden. Allein der Titel „Nadin’s Grübchen“, den Scheib für seine Zusammenstellung an Bronzegüssen, Holzfiguren, Holzschnitten und Zeichnungen gefunden hat, deuten auf den leisen Schalk des sonst eher wortkarg auf seine Kunst schauenden Künstlers hin. Kommentare und Erklärungen zu seinen stets figürlichen Schöpfungen sind so recht seine Sache nicht.

Unabhängig davon hat der aufmerksame Betrachter der Babelsberger Werkschau angesichts der ihn empfangenden weiblichen Enthüllungen ohnehin genug mit sich selbst zu tun. Hinter dem koketten Ausstellungstitel verbirgt sich nicht mehr und nicht weniger als der weibliche Akt: Leitmotiv nicht nur der abendländischen Kunstgeschichte, auf die Hans Scheib in seinen Skulpturen immer wieder gerne anspielungsreich rekurriert, sondern eben auch in dieser Präsentation mit rund 50 Arbeiten.

Von einem Sockel aus zieht eine lebensgroße „Göttin mit Granatäpfeln“ aus golden glänzender Bronze machtvoll die Blicke auf sich. Um sie herum scheinen die im Raum vereinzelt Aufstellung gefundenen Kleinplastiken fast auf verlorenem Posten. Während sich angesichts der stolzen Göttin jede weitere Annäherung verbietet, provoziert so manches kleine aber feine weibliche Figürchen mit weitgeöffneten Schenkeln mindestens einen voyeuristischen Blick.

Dahinter schmückt, wie ein stiller Fries, ein ganzer Reigen gezeichneter Akte von Raum zu Raum die Wand. Eigentümlich: Sind es nicht gerade diese intimen Zeichnungen, die der Ausstellung ihr ganz eigenes Gepräge verleihen? Der Zeitraum der über annähernd zwei Jahrzehnte hinweg entstandenen Aktdarstellungen ist Indikator für ein Thema, das den Bildhauer Hans Scheib offenkundig fest im Bann hält. Dabei nähert er sich der weiblichen Nacktheit auf immer neue Weise an. Da sind die in frontaler Pose selbstbewusst stehenden Damen in kurzem Mieder, das die hervorquellenden Brüste mehr betont als bedeckt. Sie tragen fast bis in den Schritt hochgezogene schwarze Strümpfe. Lange Handschuhe oder ein Halsband bilden das passende Accessoire.

Ob stehend, lagernd oder kauernd, ob klassische Schönheit oder werbende Kokotte: alle miteinander tragen sie ihre weibliche Scham völlig unverhüllt zur Schau. Sie ist es, die die Blicke des Gegenübers stets aufs Neue auf sich zieht.

Bei einigen dieser Frauenbilder lässt als künstlerischer Pate der früh verstorbene Wiener Maler Egon Schiele (1890-1918) grüßen. Dass Scheib mitunter Anleihen bei großen Künstlern macht, ist so etwas wie ein offenes Geheimnis, zu dem er sich freimütig bekennt. Sein Eigenanteil ist in diesem Fall die künstlerische Freiheit als Zeichner und Bildhauer, mit der in seinen bildnerischen Schöpfungen künstlerischen Zitaten neues Leben einhaucht.

Dabei reicht das Spektrum, über das Scheib verfügt, von der Kleinplastik bis zur raumgreifenden Skulptur aus Bronze oder Holz und umfasst markante Holzschnitte ebenso wie die ihn stets begleitende sensible Zeichnung. Als Virtuose der Kettensäge, der einem Stück Holz ungeahnten Bewegungsreichtum entlockt, tritt Hans Scheib in der Ausstellung nur am Rande in Erscheinung.

Zu entdecken ist ein Künstler, dessen Seele sich im Spagat zwischen statuarischen Standbildern und der ewig lockenden Weiblichkeit offenbart oder – um es mit seinen eigenen Worten zu sagen – eben in „Nadin’s Grübchen“.

Die Ausstellung „Nadins’s Grübchen“mit Werken von Hans Scheib in der Galerie Bauscher, Rosa-Luxemburg-Str. 40, endet am 11. Mai. Geöffnet Mi-Fr 12-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr.

Almut Andreae

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