Kultur: Unverkrampft
Urania-Vortrag: Politische Plakate in der DDR
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Wie die Haltung – so auch die Werke! Wenn hier also von einem Vortrag bei der Urania zu berichten ist, dann auch von einer Sinnesart, die mehr als nur Respekt verdient. Der junge Politologe Tobias Bank sprach am Dienstag so frisch und unverkrampft über die Bedeutung von politischen Plakaten in der DDR, wie man es von den gestandenen Akademikern zwischen Glienicker Brücke, Neuem Markt und Universität nicht immer erwarten würde. Er schert sich nicht um Begriffe und aktuelle Korrektheitsforderungen, er geht einfach in medias res. Ihn regiert die Neugier, die Freude am Sammeln (falls jemand noch welche hat) und Finden, am Aufbereiten und Zeigen seiner Fundstücke. Und er möchte sich darüber mit allen austauschen, die mehr als er davon wissen.
Mit bewundernswürdiger Leichtigkeit sprach er „von einem scheinbar weit entferntem Land“, dessen „plakative“ Zeugnisse im Vortragsraum ausgestellt waren, dessen Hörerschaft sich teils aus der Werbegarde von gestern zusammensetzte. Einer, Wolfgang Schuboth, brachte ihm DDR-Plakate eigner Hand und Produktion zum Geschenk mit. Das hatte schon was.
Der Vorläufer der „Deutschen Werbe- und Anzeigen-Gesellschaft“ (DEWAG) wurde im Herbst 1945 durch die Kommunistische Partei in Dresden gegründet. Neben der politischen Propaganda erfüllte sie in der Nachkriegszeit wichtige Such-, Finde- und auch Tausch-Funktionen. Ein Jahr später übernahm die SED sie als eigenen Betrieb, schuf Filialen in jeder Bezirksstadt, was ihre besondere Bedeutung am anderen Ende der Zeit erklärt: Als Teil des „SED-Vermögens“ war sie mit einem Wert von fast einer halben Milliarde Ostmark eine besonders fette
Die offizielle Neugründung erfolgte dann im Jahr 1954 mit Sitz in Berlin. Ihre meist bezirksorientierten Aufgaben erweiterten sich allmählich. Standen in den fünfziger Jahren politische und wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund der Werbung, so später auch Themen wie Mode, Konsum, Kultur, Sport, wobei der künstlerische Anspruch wie auch die technischen Möglichkeiten langsam wuchsen, es kam die Fotomontage sowie spezielle Druckverfahren hinzu. Der hohe Stellenwert östlicher „Sichtagitation“ zeigte sich sowohl in der Zuordnung der DEWAG an die „Abteilung für Agitation und Propaganda“ als auch daran, dass man trotz aller elektronischen Medien bis zuletzt am traditionellen, längst nicht immer politischem „Straßenplakat“ festhielt.
Das Inlands-Monopol der DEWAG umfasste Werbeberatung und Gestaltung, Projektierung und Bau von Messen, man hatte mit Parteitagen und Sportveranstaltungen zu tun, mit sämtlichen „gesellschaftlichen Höhepunkten“, mit Licht- und Sicht-Agitation. Selbst Eintritts- und Speisekarten gehörten dazu. Neben den 5000 Mitarbeitern (1985) wurden auch mal freie Grafiker engagiert. Es gab ein gut gestaffeltes Ausbildungssystem bis zur Fachhochschule, sogar eine eigene Zeitschrift. Die „Auslandswerbung“ freilich war ein Extra-Laden, da orientierte man sich doch lieber an den westlichen Standards. Übrigens gab es damals im Osten ein Werbeverbot für Alkohol und Tabak.
Wieder einmal sah man, dass von der ganzen Politik zuletzt doch nur ein Blatt „Kulturgeschichte“ übrigbleibt. Brüchig, knittrig, aber restaurierbar. Diese lässt sich mit „Stasi-Mauer-Stacheldraht“-Haltung betrachten, aber auch mit gesunder Neugier, mit der Freude am Entdecken und Staunen. Gerold Paul
Gerold Paul
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