
© Musikfestspiele/Stefan Gloede
Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 2015: Venus im Rokokokleid
Die Oper "La púrpura de la rosa" im Orangerieschloss als knallbuntes Kasperletheater.
Stand:
Zum Happy End, wenn Venus als einsamer Stern vom Nachthimmel blitzt und aus Adonis lauter rote Röschen geworden sind, die sogleich von einem putzigen Putto gepflückt werden, braust der Beifall im Orangerieschloss im Park Sanssouci auf. Er gilt der Oper „La púrpura de la rosa“ nach einem Text von Pedro Calderón de la Barca, die im Rahmen der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci am letzten Freitag Premiere hatte. Das einst zur Vermählung des Sonnenkönigs Ludwig XIV. mit der spanischen Infantin Maria Theresia geschriebene Feststück gelangte bis nach Peru, wo es am Hof des Vizekönigs erneut gespielt wurde.
Schon der fromm-katholische spanische Hofdichter hatte die antike Fabel von Venus und Adonis aus den „Metamorphosen“ von Ovid höchst eigenwillig umgedeutet. Die Inszenierung von Hinrich Horstkotte (Regie, Kostüme) verwandelt nun Calderóns moralingetränkte Vorlage in ein knallbuntes Kasperletheaterspektakel um. Das Bühnenbild (Nicolas Bovey) kombiniert räumliche Tiefe mit einem Graben, aus dem Puppenfiguren (Udo Schneeweiß) geführt werden.
Venus als Rachegöttin
Zu Beginn robbt auf grasgrün gewellten Hügeln eine Matrone im Rokokokleid heran. Es ist die von einem wilden Eber verfolgte Liebesgöttin Venus, die glücklicherweise von dem schönen Adonis gerettet wird. Sogleich erscheint der liebestolle, eifersüchtige Kriegsgott Mars – als Karikatur in goldener Rüstung und Pickelhaube – und möchte den Rivalen verfolgen. Begleitet wird er von Soldaten mit veristischen Stahlhelmen und geballten Fäusten – eine wenig sensible Geschmacklosigkeit. Zwei Graciosos, wie die Clowns im traditionellen spanischen Theater genannt werden, lenken vom Drama der hohen Stände ab und liefern burleske, vermeintlich volksnahe Einlagen. Sie erscheinen hier in Gestalt des ewig zerstrittenen Bauernpaars und sind in Kostüme von peruanischen Indios gekleidet. Zu sehen sind aber nur die Gesichter der Sänger. Darunter wackeln Puppenkörper mit kurzen Beinchen am Bühnenrand. Für die nachlässige Ehefrau gibt es später Haue vom schwarzen Drachen, angefeuert von ihrem Mann. Venus entpuppt sich gar als veritable Rachegöttin, die darüber nachsinnt, wie sie „töten kann ohne zu töten“. Das Ziel ist Adonis, welcher die Liebe verschmäht.
Eben diese empfiehlt sich als probates Giftmittel und mithilfe der Pfeile ihres possierlichen Sohns schreitet Venus zur Tat. Schließlich erlebt das Traumpaar ein Schäferstündchen im Garten, doch tauschen sie dort mehr spitzfindige Argumente als Zärtlichkeiten aus.
Das entspricht zwar dem rhetorischen Thesenstil von Calderóns Drama, aber in einer veritablen italienischen Oper hätten spätestens jetzt die Gefühle musikalisch gelodert. Hier aber erscheint in der Gruselfigur des Desengaño die pessimistische, auch misogyne Weltsicht des spanischen Barock in persona. Angekettet hockt der düstere Kerl, Personifikation der großen Desillusion und Ent-Täuschung aller weltlichen Dinge, in einer gruftigen Grotte. Zu seinen ständigen Begleitern gehören die Allegorien von Furcht, Neid, Zorn und Argwohn, deren Kostüme jeder Halloweenparty zur Ehre gereichenwürden. Angesichts dieser schauerlichen Gesellschaft erscheint es wohl wirklich besser, der irdischen Lebenslust zu entsagen und als Sternlein und Röschen wieder aufzuerstehen.
Zu viel Präsenz
Das „Purpur der Rose“ gilt heute als erste amerikanische Oper, denn der Komponist Tomás de Torrejón y Velasco war Kapellmeister an der Kathedrale von Lima. Doch weder existiert eine komplette Partitur, noch ist die Urheberschaft restlos geklärt. Heutige Inszenierungen sind auf Rekonstruktionen und Anleihen aus anderen Werken angewiesen. In dieser Hinsicht leistet die in der Orangerie erklingende Fassung von La Chimera wohlklingende Arbeit. Unter der Leitung von Eduardo Egüez, dessen Barockgitarre markant spanische Akzente setzt, wird auf Originalinstrumenten gespielt. Manch knappes Instrumentalstück prunkt mit Violinen, Trompeten und Verve à la Vivaldi. Der dominante Sprechgesang in Solo und Chor beweist, dass die Errungenschaften der neapolitanischen Oper noch nicht in Spanien Fuß gefasst hatten. Die formidablen Solisten und das Chorensemble „Nova Lux“ bewältigen ihre trockenen, wenig kantablen Partien eindrucksvoll. Francesca Lombardi Mazzulli, Sopran, gibt eine stimmlich reife Venus, Roberta Mamelli zeigt als Adonis klare Sopranhöhen und viel Präsenz, was ihr leider zum Verhängnis wird. Doch trotz Sturz singt sie nach der Pause tapfer weiter. In der Rolle des tumben Kriegsgotts lässt Mariana Rewerski ihren fülligen Mezzosopran erklingen. Ana Alás i Jové singt mit geschmeidigem Ton die Kriegsgöttin Bellona, während Magdalena Padilla als Cupido mit lieblichem Sopran erfreut. Olga Pitarch, Sopran, und Furio Zanasi, Bariton, verleihen dem Bauernpaar ihre Gesangskünste, wobei Letzterer auch in der Rolle des Desengaño triumphieren darf.
Trotz allem musikalischen und inszenatorischen Aufwand bleibt aber die Frage, ob der für solch ein literarisch und musikalisch schwaches Werk gerechtfertigt ist.
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Babette Kaiserkern
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