zum Hauptinhalt
Restaurator Oliver Wenske nimmt sich des Porträts des Bankers Julius Kann mit seiner Schwester von 1849 an.

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Verblichener Glanz

Museums-Förderverein sammelt Spenden zur Restaurierung eines Bildes der jüdischen Familie Kann

Stand:

Den Farben fehlt der Glanz, der Rahmen ist verschlissen. In ein paar Wochen könnten die Kinderaugen indes wieder genauso leuchten, wie sie der Potsdamer Maler Albert Moores vor rund 150 Jahren auf die Leinwand bannte. Das Kinderpaar auf dem Bildnis der Familie Kann, das von Restaurator Oliver Wenske jetzt weitgehend in seinen Originalzustand zurückversetzt werden soll, erzählt ein Stück jüdischer Geschichte in Potsdam.

Durch eine Schenkung von Nachfahren der porträtierten Kann-Geschwister, der Familie Blumenau aus den USA, kam das Bild im vergangenen Jahr in den Besitz des Potsdam-Museums. Dank Unterstützung des Fördervereins und mit Hilfe Potsdamer Bürger soll es nun restauriert und ab 15. Mai in der Ausstellung „100 Jahre Kunst ohne König. Privates und öffentliches Sammeln in Potsdam“ zu sehen sein, die gemeinsam vom Museum und dem Potsdamer Kunstverein im Kutschstall gezeigt wird. „Exponate über jüdische Geschichte sind bisher in unserem Haus unterrepräsentiert“, sagte gestern die Direktorin des Potsdam-Museums, Jutta Götzmann. Zugleich sei das Bild, das sich seit der Entstehung 1849 im privaten Besitz befand, Ausdruck bürgerlichen Schenkens.

Wie der Fördervereinschef Markus Wicke erzählte, sei die Kaufmannsfamilie Kann 1840 aus Eberswalde nach Potsdam gekommen. Hier eröffnete Wilhelm Kann 1842 ein Bankhaus in der heutigen Friedrich-Ebert-Straße 113. Sohn Julius, der fünfjährig auf dem Bild zu sehen ist – neben seiner Schwester, deren Name bislang unbekannt ist und die12-jährig starb – führte die Bankgeschäfte des Vaters weiter und übergab diese wiederum an seinen Sohn Wilhelm. „Wohl aus finanziellen Gründen folgte um 1930 das Aus für das Familienunternehmen“, so Markus Wicke. Wilhelm Kann, der aus der Friedrich-Ebert-Straße in das Gärtnerhaus am Jüdischen Friedhof ziehen musste, kam als letzter offizieller Vertreter der jüdischen Gemeinde am 22. Juni 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt. Dort starb er ein Jahr später an Hungertyphus. Seine von ihm getrennt lebende Frau Rebekka überlebte im Untergrund, während die drei Kinder in alle Himmelsrichtungen flohen: in die Sowjetunion, nach England und Argentinien. Die Potsdamerin Eva Gretsch lernte eine von ihnen 1994 kennen: Hilde Graetz. Sie sei auf Einladung der Stadt nach Potsdam gekommen. Hier hatte sie bis 1933 die Schule in der Dortustraße besucht: bis die Nürnberger Gesetze es verboten. Hilde bezog bei einem jüdischen Uhrmacher Stellung. 19-jährig floh sie 1938 ohne Geld, ohne Sprachkenntnisse und mit dem letzten Schiff allein über den Atlantik nach Buenos Aires. Dort fand sie bei einer jüdischen Familie Unterkunft. Wie Eva Gretsch ebenfalls aus den Erinnerungen Hildes zu berichten wusste, hätten sie als Kinder – feingemacht in Matrosenanzügen – oft mit dem Vater auf dem Balkon gestanden. Wenn vom Schloss in Richtung Nauener Tor die Parade vorbei zog, salutierten die Offiziere respektvoll mit ihren Degen. „Sie waren alle bei meinem Vater verschuldet“, habe ihr Hilde Graetz erzählt. Das Potsdam-Museum wird nach weiteren Geschichten um die Geschichte des Kinderbildes forschen. Doch jetzt geht die Restauratorenhand erst einmal den Jahrhunderte alten Firnis-Schichten auf den Grund. „Es wurden immer wieder neue Lasuren aufgetragen, in der Hoffnung, Tiefe in das Bild zu bringen. Doch dadurch sind die Farben mehr und mehr ,verbacken’ und verbräunt. Von der spätbiedermeierlichen Wirkung ist kaum noch etwas zu spüren.“ Das größere Sorgenkind ist für Oliver Wenske allerdings der Rahmen. „Eigentlich sagt man, dass sich für Stuck der Aufwand der Restaurierung nicht lohne, doch hier ist es noch das Original, das zum Bild einfach dazu gehört.“ Alle Ecken mit den sich rokokohaft herauswölbenden Muscheln seien nicht mehr vollständig, so dass nun eine Ecke nachempfunden und auf die anderen übertragen werde. Nachdem die Fehlstellen ergänzt sind, geht es ans Vergolden. Dazu wird ein Holz-Kreidegrund aufgetragen. Darauf klebt Oliver Wenske wie im Original Tüll, um dann die Glanz- und Ölvergoldungen vorzunehmen. „Ein umfangreiches Unterfangen für ein so kleines Bild.“

1500 Euro seien noch vonnöten, um die Restaurierung zu bezahlen, so Wicke. Gestern übergab er dem Potsdam-Museum bereits ein Originalsiegel der Kanns. Auch ein Stolperstein vor dem einstigen Bankhaus, heute Sitz der AOK, erinnert an die Familie. Das Doppelporträt wird bald eine weitere Facette hinzufügen, das nach der Restaurierung sicher wieder genauso leuchtet wie zu königlichen Zeiten.

Spenden können überwiesen werden an den Förderverein des Potsdam-Museums e.V. Mittelbrandenburgische Sparkasse, BLZ 160 500 00, Konto-Nr. 350 301 65 96, Stichwort Kann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })