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Kultur: Verblüffend direkt

In der Comédie Soleil: Dario Fo“s „Johann vom Po“

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Nach seinem Verhältnis zu Silvio Berlusconi befragt, antwortete Dario Fo aus Italien fast weise „Ich würde es nüchtern ausdrücken: Wettstreit zweier Berufskomiker.“ Der berühmte Autor, Regisseur, Schauspieler und Literatur-Nobelpreisträger von 1997 ist ein Stachel im Normalfall der Gesellschaft. Theatermann, Rebell, Anarchist, ihm ist scheinbar nichts heilig, am wenigsten wohl die Kirche. Und so lässt er seinen Flüchtling Johan vom Ende des 15. Jahrhunderts bezüglich westindischer Indianer auch sagen; „Bei Gott, hoffentlich haben diese Menschen noch keinen Christen kennen gelernt, sonst werden sie wild“.

Grund dazu hatten sie, denn nachdem Fo''s Held auf der Flucht vor der venezianischen und spanischen Inquisition mit Kolumbus nach Amerika kam, erlebte er selbst, wie Christenmenschen die Heiden niedermetzelten. Mit Augenzwinkern und doppeltem Boden erzählt der Autor in seinem Monolog „Johan vom Po entdeckt Amerika" (1992) von den Abenteuern des Venezianers unter den Indios, der zuerst verspeist, dann ihr Prophet, Arzt und Heiliger wurde, natürlich, je nach Situation, in schönster Polygamie. Das Berliner „Studio 188“ kam mit diesem (gewiss dem „Kolumbusjahr“ gewidmeten) Opus dieser Tage in der Comédie Soleil zur Aufführung.

Stefan Kleinert inszenierte mit Lockerheit, was sein Protagonist Robert Bittner dann so überzeugend spielte, bis man nicht mehr wusste, wo der Spaß endet und die Ernsthaftigkeit begann. Sollte man dem direkt zum Publikum sprechenden Johan wirklich glauben, wenn er erzählt, wie er die Fische beschwor, von selbst in die Kisten der Wilden zu springen, oder dem Häuptling nach Art eines Segelmachers den Bauch zunähte? Einfältig – wie der altdeutsche Recke – gibt sich Johan allemal, wenn er seine Abenteuer unter den Kannibalen preisgibt, um zuletzt, trotz Heimwehs nach Venedig, in den Sümpfen Floridas zu verschwinden.

Kleinerts Zugriff auf den Text ist verblüffend direkt, er lässt Bittner vor einem kitschig gemalten Prospekt karibischer Provenienz wie ein Brünnlein reden, mit einigen Requisiten spielen, alles locker und federleicht. Der Solist hatte seinerseits Vergnügen daran, vom ersten Pferd zu erzählen, welches die erschreckten Indios wortwörtlich auf die Palmen trieb, um es dann bei „Bonanza“-Musik kurzerhand von einem arabischen Söldner einfangen zu lassen. Oder der höchst erheiternde Bericht von der Bekehrung der Rothäute zum Christentum, wo Fo viel von seiner theologischen Skepsis einwob. Diese flüssige Inszenierung verzichtet auf Untertext, was dem Wurf sowohl Charme als auch eine wunderbare, höchst rare Naivität verleiht. Lehrt Einfalt nicht am meisten?

Aber alles hat auch seinen Preis. Als Kehrseite dieser kühnen Ästhetik war ein Mangel an der für Fo so typischen Subversivität zu spüren. Für ihn ist Satire „das schlechte Gewissen der Macht“, und dies braucht nun mal den Subtext. Ihm geht es ja nicht ums Lachen allein, sondern um das Auslachen der Weltgewaltigen, Berlusconi etwa. Völlige Abstinenz von der zweiten Ebene war da vielleicht doch nicht immer so gut. Gerold Paul

Gerold Paul

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