zum Hauptinhalt

Kultur: Verborgenes

Der „Landleben“-Fotograf Thomas Kläber stellt im Kulturministerium Strukturen und Seelenlandschaften vor

Stand:

Sie tragen robuste Karohemden, Kittelschürzen, Strohhüte und Hosenträger. Den durchfurchten Händen sieht man an, dass sie zufassen müssen. Die Menschen, die Thomas Kläber vor die Kamera holt, kommen vom Dorf. Aus seinem Dorf. Er kennt die meisten von Kindheit an und wenn er sie fotografiert, ist viel Zeit vonnöten. Denn nicht der schnelle Klick ist es, worauf es ihm ankommt, sondern die charakteristische, ungekünstelte Haltung. Es ist nicht immer die, in denen sich die Porträtierten vielleicht am liebsten sehen – aber sie erzählt über Leute, ohne sie bloß zu stellen. Es sind fast immer Paare, die der inzwischen vom Elbe-Elster-Landkreis in ein Dorf nahe Cottbus gezogene Fotograf zusammenstellt. Ehepaare, Geschwister, Eltern mit Kindern, Freunde. Ihre Position zueinander lässt auch ihre Beziehung erahnen: Liebe, Sympathie, Argwohn, Gleichgültigkeit, Überdruss ... Ob real oder aus der Sicht des Betrachters ist dabei unwichtig. Denn jeder spiegelt sich auf seine Weise im anderen.

Wer die älteren Eheleute in der Ausstellung im Kulturministerium betrachtet, könnte herauslesen, dass sie wie zwei alte Latschen bereits durch dick und dünn gegangen sind. Weggefährten, die sich aufeinander verlassen können, auch wenn die große Leidenschaft irgendwann auf der Strecke geblieben sein mag. Doch Opa braucht seinen „Befehlshaber“, und Oma jemanden, den sie „betuttelt“ und kommandiert. Stirbt einer von ihnen, folgt der andere vielleicht kurz darauf. Weil man nicht mehr alleine leben kann.

Ein schlanker Mann im mittleren Alter, mit aufgekrempelten Ärmeln und Dreitage-Bart, fällt etwas aus dem Kanon der Dorfgemeinde heraus. Sein nach innen gerichteter, kritischer Blick deutet auf Selbstzweifel und eine eher philosphische Sicht. Er ist Ökobauer, den Kläber beim Spazierengehen mit dem Hund kennengelernt hat, wie der Fotograf am Rande der Vernissage erzählt – Informationen zu den Porträtierten gibt es in der Schau nicht. „Diese Begegnung mit dem charismatischen Bauern war für Kläber auch deshalb angenehm, weil es seit der Wende immer schwieriger wird, Menschen zu fotografieren. „Sie sind voreingenommener, haben Angst, missbraucht zu werden.“ Um so wichtiger sei es, das Gespräch zu finden, eine gemeinsame Wellenlänge zu haben. „Jedes Foto ist immer ein Geduldsspiel. Ich erzähle und beobachte die Menschen so lange, bis sie nicht mehr ihre Schokoladenseite hervorheben.“ Sie können sich auf den Fotos auch nicht in irgendeine „Garnierung“ verstecken. Kläber lässt den Hintergrund weiß, so dass nichts ablenkt, die Figuren fast aus dem Bild heraustreten. Dennoch müssen die Menschen nicht auf ihre Umgebung verzichten. Denn Kläber fotografiert auch die Felder, Wiesen und Wälder, in denen sie leben. Er hängt diese Landschaften zwischen den Paaren auf. Grasstücke, die in Nahaufnahme und nach mehreren Belichtungen wie dichte Netze wirken. Verfremdet und doch vieles preisgebend. Es sind die Strukturen, die den 52-Jährigen, der 2001 den Förderpreis des Landes Brandenburg erhielt, interessieren. Mehr als das genaue Abbild. Das ist in der Natur so und auch in den Seelenlandschaften.

Eigentlich beschäftigt ihn das Thema „Landleben“, seit dem er mit zehn Jahren das erste Mal die Kamera zur Hand nahm. Die Eltern hatten einen Bauernhof und auch der Sohn wusste, mit der Forke umzugehen. Doch anders als sein Bruder blieb Thomas Kläber nicht in der Landwirtschaft „hängen“, sondern machte sein Hobby zum Beruf. Und seine große Serie „Landleben“ begleitete ihn durch das Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und erstreckt sich mit Abwandlungen bis heute. Die über Jahre reichenden dokumentarischen Aufnahmen verdichten sich inzwischen zu einer großen sozialen Erzählung. Mitunter hat er Menschen nach Jahren erneut fotografiert, um Entwicklungen festzuhalten.

Im Moment forscht Thomas Kläber allerdings mehr im „Verborgenen“. Und im Gegensatz zu den grobkörnigen Schwarz-Weiß-Fotos, geht er in dieser Serie farbiger und klarer zu Werke. Doch er ist auch hier der Erzähler, der die Fantasie auf die Reise schickt: Das schamottige Gestein, das er entdeckt, wirkt wie eine grobe Elefantenhaut und der weibliche Körper, der sich aus der Baumrinde herausschält, schimmert im weiß-türkisen Borkenschimmel wie eine Seidenhaut.

Seit etwa vier Jahren arbeitet Thomas Kläber auch mit digitaler Technik, „sie ist mir inzwischen sehr lieb geworden, obwohl es durch schwieriger ist, den Lebensunterhalt zu bestreiten.“ Der Brandenburger hält jedoch an seiner Fotografie fest, „sammelt“ weiter Figuren, Schatten, Farbreste und immer wieder Menschen – in dem Wissen: „Land schafft Leute“.

Zu sehen bis 6. Juni im Kulturministerium, Dortustraße 36.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })