Kultur: Verboten und doch frei
3. Filmnacht mit Jutta Hoffmann und Egon Günther
Stand:
3. Filmnacht mit Jutta Hoffmann und Egon Günther „Plötzlich ist da jemand, wo man denkt: Ich könnte mich trauen. Mit ihr könnte ich auch scheitern.“ Es klingt wie eine Liebeserklärung, wenn der Regisseur Egon Günther von seinen ersten Begegnungen mit der Schauspielerin Jutta Hoffmann erzählt, mit der er fünf Filme in den 60er und 70er Jahren in der DDR realisieren konnte. Als Gäste der 3. Filmnacht des Filmmuseum, die dem Schaffen Egon Günthers gewidmet war, erzählten beide von ihrer Zusammenarbeit. In dem vom Erzählkino bestimmten DEFA-Betrieb wagte Günther formale Experimente und inhaltliche Tabubrüche, was ihm Reaktionen zwischen Verbot und Staatspreis einbrachte. „Die Chancen waren ungeheuerlich, wenigstens glaubten wir, dass es sie gäbe“, charakterisierte Günther die Zeit der Anfänge seines Filmschaffens. Bis 1972 währte die gefühlte Freiheit. „Wir waren relativ immer verboten. Aber wir waren auch immer frei. Die Einschüchterungspotenziale wirkten bei uns nicht.“ Weder Bespitzelung noch finanzielle Einschränkungen hätten Einfluss auf den ästhetischen Anspruch und den Umgang mit Schauspielern gehabt, auch wenn er sich nach dem Verbot seines Films „Adam“ 1965 im depressiven Keller befand. Die Entscheidungen der DDR-Kulturpolitik blieben ihm so unberechenbar und unlogisch. Als „besonders wertvoll“ wurde 1968 „Abschied“ eingestuft, die Verfilmung eines autobiografischen Romans von Johannes R. Becher, jedoch durfte der Film nur eine Woche in den Kinos laufen. Für den heutigen Kinogänger ist der Schwarz-Weiß-Film, der erzählt, warum ein junger Mann aus gutbürgerlichen Hause sich nicht dem Kriegstaumel des Jahres 1914 hingibt, eine Entdeckung. Die als Mitläufer gezeichnete Hauptfigur erlebt Verlogenheit und Selbstgerechtigkeit und erkennt, dass die wahren „Unzüchtigen“, diejenigen sind, die von Moral predigen. „Euren Krieg mach ich nicht mit“ wagt der Junge dem kriegsbegeisterten Vater ins Gesicht zu sagen und verlässt das Haus in dem Wissen, Abschied nehmen zu müssen, auch von sich selbst. Vage bleibt, wie er sich seine Zukunft vorstellt. Dieser offene Schluss mag nicht in das parteipolitische Erziehungsprogramm von Ulbricht gepasst haben, der nach der Premiere demonstrativ den Kinosaal verließ. Wie Günther vermutet, war der Film aber auch ein „formaler Schock“. Leider sind aus heutiger Sicht gerade diese experimentellen Szenen des Films die schwächsten, da sie in der Psychologie der Handlung keinen Widerhall finden. Ganz der weiblichen Psyche widmet sich „Der Dritte“ von 1972. Jutta Hoffmann spielt eine Frau von 35 Jahren, die ihren Glücksanspruch trotz Kinder und ausgefülltem Berufsleben nicht befriedigt sieht. Ihre Liebessehnsucht richtet sie auf den Kollegen Hrdlitschka, der „der Dritte“ in ihrem Leben sein soll. Die Strategien, um das Ziel zu erreichen, kommen selbst der Hauptfigur altbacken vor, wie „das würdelose alte dumme Spiel der Großmutter“. Trotz Emanzipation könne sie als Frau immer noch nicht einfach auf einen Mann zu gehen und ihm ihr Begehren bekunden. Der Film erzählt, dass sie es doch kann. Darüber hinaus zeichnet er in Rückblenden ihren Lebensweg nach. Als Waise kommt die Jugendliche in ein Diakonissenheim, welches sie verlässt, als sie spürt, dass ihr Glaube nicht genügt. Stattdessen studiert sie später Mathematik und wird EDV-Assistentin in dem Rechenzentrum eines Chemiewerkes. Die beiden ersten großen Lieben münden in Enttäuschungen. Mit kleinen will sie sich nicht zufrieden geben. Der Film atmet durch die Leinwandpräsenz von Jutta Hoffmann, an deren Seite die Männer eindimensional wirken. Doch nie wird der Film denunziatorisch, nicht in der Charakterisierung liebesunfähiger Männer und auch nicht wenn er homoerotische Alternativen durchspielt. Sogar die Darstellung des konfessionellen Milieus kommt ohne Negativklischees aus, ebenso wie die Szenerie in der Konfliktkommission im Betrieb. Dieser bemerkenswerte Realismus, der 1972 in Venedig ausgezeichnet wurde, berührt heute noch. Er sei dankbar, so Günther, dass er mit Jutta Hoffmann kontinuierlich zusammenarbeiten durfte. Mit ihr habe sein Versuch, Schauspieler in die vollkommene Freiheit des Spielens zu entlassen, funktioniert. Nach der Biermann-Ausbürgerung arbeiteten beide überwiegend im Westen. Wer ihm denn heute reinrede, wurde Günther gefragt. „Niemand“, so seine Antwort, er könne einfach gar keine Filme mehr realisieren. Sein letzter Film „Die Braut“ von 1998 wäre allenfalls ein Torso, da er radikal zusammengekürzt in die Kinos kam. Epische Längen und ästhetische Experimente wolle das Publikum nicht, hieß es. Auch die Filmnacht zeigte die bekannte Version und nicht den „Directors Cut“. Lene Zade
Lene Zade
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: